Herbes Zugeständnis in punkto Arbeitszeit - 38-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich. Aber: Griff in den Geldbeutel abgewehrt und Arbeitsbedingungen weitreichend abgesichert, auch für Beamte

Sie haben sich erfolgreich gewehrt

Telekom-Chef René Obermann hat seine Vorstellungen zur geplanten Ausgliederung von rund 50000 Telekom-Beschäftigten in drei Service-Gesellschaften nicht durchdrücken können. Nicht beim Gehalt, nicht bei den Arbeitsbedingungen, nicht bei den sozialen Absicherungen der Beschäftigten. Lediglich eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit konnte der sechswöchige Streik bei der Deutschen Telekom AG nicht verhindern.

"Nach den Plänen des Arbeitgebers wären in den neuen Gesellschaften Kündigungen möglich gewesen", sagte ver.di-Verhandlungsführer Lothar Schröder. "Beim Wechsel hätten die Beschäftigten zum Teil weit mehr als zwölf Prozent ihrer Einkommen eingebüßt. Ihre Arbeiszeit sollte nahezu beliebig disponiert werden können. Und die Beamtinnen und Beamten hätten mit einer 41-Stunden-Woche rechnen müssen. All das ist jetzt vom Tisch."

Dabei waren die Diskussionen der betroffenen Kolleginnen und Kollegen kurz nach Bekanntgabe des Tarifkompromisses heftig. Einige Medien hatten - offenbar zu schnell - von Arbeitszeitverlängerung und einer heftigen Gehaltsabsenkung berichtet. Erst bei genauerer Kenntnis der auf mehr als 70 Seiten fixierten Vereinbarungen setzte sich bei den Betroffenen Erleichterung durch (siehe Stimmen unten).

Die Ergebnisse eines konsequenten Arbeitskampfes

Die zum Wechsel in die neuen Gesellschaften angekündigte Absenkung der Gehaltstabellen um 6,5 Prozent hat keine Auswirkung auf das reale Einkommen der Beschäftigten. Denn durch Ausgleichszahlungen und den vereinbarten Einsatz von Anteilen künftiger Tarifrunden wird sichergestellt, dass die Beschäftigten keine Einbußen erleiden. In den ersten 18 Monaten ab 1.Juli 2007 wird auf 100 Prozent ausgeglichen, danach für zwölf Monate auf 66 Prozent und für weitere zwölf Monate auf 33 Prozent. Die Differenz bei 66 beziehungsweise 33 Prozent wird in den aktuellen Tarifrunden ab Januar 2009 ausgeglichen. Für den unwahrscheinlichen Fall, dass eine Lohnrunde nicht zur erwünschten Erhöhung führt, werden die dann fehlenden Ausgleichszahlungen vom Arbeitgeber übernommen. Der Arbeitgeber sichert diese Ausgleichszahlungen durch eine Rückdeckung.

Die Wochenarbeitszeit wird auf 38 Stunden erhöht. Da das Entgelt aus dem Beschäftigungsbündnis auf der Basis einer 35,5 Stunden-Woche beruht, bedeutet das maximal 2,5 unbezahlte Stunden. Eine halbe Stunde davon ist für betrieblich-fachliche Qualifizierung vorgesehen, das ergibt pro Jahr drei Tage. Auch für Beamte gilt, entgegen der Forderung des Arbeitgebers, die 38- statt die 41-Stunden-Woche. Festgelegt wurde, dass die Arbeitszeitverlängerung nicht zum Arbeitsplatzabbau benutzt werden darf. In eng definierten Bereichen kann der Samstag als Arbeitszeit einbezogen werden. Allerdings hat jeder Beschäftigte Anspruch auf zwei zusammenhängende freie Kalendertage pro Woche.

Für die Beschäftigten der neuen Service-Gesellschaften wurde der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis zum 31.12.2012 durchgesetzt. Auch im Fall eines Verkaufs einer Service-Gesellschaft besteht der Kündigungsschutz. Ein Verkauf vor Ende 2010 ist vertraglich ausgeschlossen. Sollte danach verkauft werden, bleiben die Unkündbarkeit und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bestehen. Auch die geschlossenen Tarifverträge gelten weiter - und das bedeutet, dass Kündigungsschutz, Bezahlungsregelungen und soziale Besitzstände auch nach einem möglichen Verkauf erhalten bleiben.

Schutz für die Alten und Zukunft für die Jungen

Weiter gültig sind auch sämtliche Regelungen des so genannten Tarifvertrags Altersteilzeit. Das jetzige Vertragswerk bietet Schutz vor Nachteilen durch die Umstellung auf das neue Entgeltsystem. Die bestehenden Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung, zum Telekom Pensionsfonds und zur Entgeltumwandlung gelten unverändert auch für die Beschäftigten der neuen Servicegesellschaften.

Aus dem alten Manteltarifvertrag gelten zudem die Vereinbarungen zur Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Die Zuschläge sind geblieben. Und nach wie vor haben alle Anspruch auf 30 Tage Urlaub im Jahr.

Vorerst rosiger können auch die Auszubildenden der Deutschen Telekom in die Zukunft blicken. 4150 Nachwuchskräfte aus der Telekom-Ausbildung werden unbefristet eingestellt. Noch in disem Jahr werden das 1000 Azubis sein, bis Ende 2009 werden die weiteren 3150 Azubis einen unbefristeten Vertrag erhalten. Ausgeschlossen ist dabei eine Einstellung in Leih- und Zeitarbeit. Der kleine Haken: Die deutsche Telekom ist mit insgesamt 12000 Auszubildenden - 4000 pro Lehrjahr - der größte Ausbilder Deutschlands. So betrachtet, übernimmt die Telekom also gerade einmal rund ein Drittel ihrer Nachwuchskräfte. Für ver.di sind das zwei Drittel zu wenig, vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass die Telekom ihren Service ausbauen und verbessern will. Deshalb sollte Personal nicht abgebaut, sondern eingestellt werden. Und wer, wenn nicht die eigenen, gut ausgebildeten Nachwuchskräfte sollte das sein?


Erst herrschte Sturm

Otto Seckler, Betriebsrat, Technischer Kundendienst, Niederlassung Mitte

Die Welt schien zu bersten, als die ersten Nachrichten über den Abschluss kamen - leider fast ausschließlich aus der Sicht der anderen Seite. Meine gewerkschaftliche Seele war aufgewühlt, und im Betrieb herrschte Sturm. Nach vielen Stunden Diskussion lichteten sich die ersten Nebel, und wir konnten mit einem sachlicheren Blick auf das Ergebnis schauen. Heute sagen wir uns: Mehr war nicht zu schaffen.

Im Mittelpunkt steht: Kein Griff in den Geldbeutel der Leute, kein Lohndumping, der Kündigungsschutz ist ausgebaut, 4150 Nachwuchskräfte werden auf Dauerarbeitsplätzen eingestellt. Das hat Gewicht. Und war nur durch die massiven Streiks zu erreichen.


Mit 38 Stunden kann ich leben

Ines Schreiner, Sachbearbeiterin in der Kundenniederlassung Berlin-Nordost

Ich bin seit 30 Jahren bei der Telekom und den Vorgängern des Unternehmens, hatte immer mit Telefonkunden zu tun. Mit den 38 Stunden Arbeitszeit pro Woche, die jetzt auf der Tagesordnung stehen, kann ich leben. Dagegen wird wohl auch kaum einer was sagen. Aber bei einem Streik, der sechs Wochen gedauert hat, kann man von dem Abschluss doch wohl etwas mehr erwarten. Und das sehen, glaube ich, viele Kollegen genauso.


Was wird zu Weihnachten und Silvester?

Madeleine Passon, Sachbearbeiterin in der Kundenbetreuung in Berlin-Karlshorst

Ich bin enttäuscht. Als ich gehört habe, dass die freien Tage am 24. und 31. De-zember gestrichen werden, bin ich aus allen Wolken gefallen. Kitas und Hort haben an den Tagen geschlossen. Was machen die allein erziehenden Kolleginnen dann, die niemanden haben, der ihre Kinder in der Zeit betreut? In meinem Bereich arbeiten viele allein Erziehende.


Wir brauchen weiter Bewegung

Gustav Schwab, Servicetechniker Spezial, München

Wegen fehlender Informationen war ich anfangs verunsichert, aber jetzt schätze ich das Ergebnis als gut ein.

Die Arbeitszeitverlängerung schmerzt, doch die Freude darüber, dass Obermann der geplante "Durchmarsch" nicht gelungen ist, lindert vieles. Deswegen sage ich jetzt: Danke, Verhandlungskommission.

Unseren Schwung müssen wir weiter nutzen. Wir brauchen eine Bewegung im Betrieb für Mindestlohn und das Verbot von Leiharbeit, gegen Tarifflucht durch Ausgründung. Weg mit Hartz IV und weg mit der Rente mit 67!