PETRA GERSTENKORN ist Mitglied im ver.di-Bundesvorstand

ver.di PUBLIK | Der Postmindestlohn beherrscht immer noch die öffentlichen Medien. ver.di strebt jetzt auch einen tariflichen Mindestlohn für das Sicherheitsgewerbe an. Hat die Forderung Aussicht auf Erfolg?

GERSTENKORN | Wir haben Verhandlungen über einen Mindestlohn mit dem Arbeitgeberverband für das Bewachungsgewerbe, BDWS, aufgenommen. Bisher liegen unsere Forderungen und die Angebote der Arbeitgeber aber noch sehr weit auseinander.

ver.di PUBLIK | In Deutschland werden Sicherheits- und Wachschutzkräfte schlecht bezahlt. In Frankreich wird ein Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt, in Schweden bis zu 15 Euro. Sind die deutschen Kräfte nicht so gut qualifiziert?

GERSTENKORN | In Deutschland sind die Beschäftigten in dieser Branche gut qualifiziert. Bei allen seriösen Anbietern von Sicherheitsdienstleistungen absolvieren die Beschäftigten Kurse und Prüfungen. Allerdings gilt in Frankreich ein gesetzlicher Mindestlohn. In Schweden werden Mindestlöhne tariflich festgelegt, und dort ist ein gewerkschaftlicher Organisationsgrad von 90 Prozent keine Seltenheit.

ver.di PUBLIK | Spielen in den bereits laufenden Tarifverhandlungen in den Bundesländern die zunehmenden Anforderungen an das Wachschutzpersonal eine Rolle?

GERSTENKORN | Die Tätigkeiten im Wach- und Sicherheitsgewerbe werden komplexer und die Anforderungen an die Beschäftigten steigen. Bessere Qualifikationen sollen natürlich auch besser bezahlt werden. Das ist Leitlinie für unsere Verhandlungen auf allen Ebenen.

ver.di PUBLIK | Wenn es zu Verhandlungen über einen Mindestlohn mit den Arbeitgebern kommen sollte, wie hoch müsste er dann sein?

GERSTENKORN | Wie gesagt, laufen die Verhandlungen. Unsere Forderung für einen Mindestlohn ist 7,50 Euro pro Stunde. Wir werden sehen, wie ernst den Arbeitgebern ihre Aussage ist, dass sie vor der weiteren Öffnung der Märkte innerhalb der EU "soziale Standards für die Beschäftigten einbeziehen" wollen.

ver.di PUBLIK | Sind Branchenmindestlöhne die Zukunft, oder wird ver.di weiterhin auf der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns bestehen?

GERSTENKORN | Branchenmindestlöhne sind unter den gegebenen Bedingungen dieser Regierungskoalition zurzeit der einzig mögliche Weg. Wir halten nach wie vor einen gesetzlichen Mindestlohn für die bessere und richtige Lösung, um allen Beschäftigten ein Auskommen mit dem Einkommen zu ermöglichen.