Gaby Gottwald ist Mitarbeiterin der Linksfraktion im Bundestag

Wer private Altersvorsorge betreibt, hat nur etwas davon, wenn er im Alter nicht auf die staatliche Grundsicherung angewiesen ist. Diesen Tatbestand verkündete jüngst das ARD-Magazin Monitor und löste damit eine Welle der Entrüstung aus. Vielerorts wird nun gefordert, die Riesterrente müsse anrechnungsfrei sein und dürfe nicht die Grundsicherung im Alter schmälern.

Die wohlgemeinte Forderung ist verständlich, aber hoch problematisch, denn sie führt zu einer Privilegierung der privaten Altersvorsorge gegenüber der gesetzlichen. Die jetzige Debatte wird deshalb auch genutzt, um der Privatisierung sozialer Risiken weiter Vorschub zu leisten. Die Leistungen aus der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) sind wie grundsätzlich alle

anderen Einkommen nicht anrechnungsfrei. Unterschreitet die Rente das Existenzminimum, wird aufstockend die Grundsicherung im Alter gezahlt. Wird nun bei der privaten Altersvorsorge mit dieser Logik gebrochen, schafft der Staat einen weiteren Anreiz zur Aufweichung des gesetzlichen Sicherungssystems.

Den Startschuss für die Entwertung der gesetzlichen Rente und die Teilprivatisierung der Altersvorsorge gab die rot-grüne Rentenreform unter Arbeitsminister Riester mit dem Einbau der Dämpfungsfaktoren in die Rentenformel und dem damit einhergehenden Sinkflug der Nettorenten. Das staatlich festgeschriebene Ziel ist die Senkung des Rentenniveaus von rund 51 auf nur noch 43 Prozent im Jahr 2030. Das Leistungsziel in der Rentenversicherung wurde der Beitragssatzbegrenzung untergeordnet, um die Arbeitgeber bei den Sozialabgaben zu entlasten. In diesem Paradigmenwechsel liegt eine der wesentlichen Ursachen für die Zunahme der wachsenden Altersarmut. Parallel zum Abbau des Leistungsniveaus der Gesetzlichen Rente wurde die Förderung der privaten Altersvorsorge aufgebaut, über die gemeinsam mit dem Ausbau der Betriebsrenten der Ausfall aus der GRV kompensiert werden sollte.

Die geförderte Riesterrente ist damit der Zwilling des Riesterfaktors, der die gesetzliche Rente mindert. Wer die Riesterrente angreift, gefährdet das propagierte Drei-Säulenmodell der Altersvorsorge, das die Basis der Teilprivatisierung der sozialen Alterssicherung und Schlüssel zur Entlastung der Arbeitgeber ist.

Es ist unbestritten, dass Riestern heute für viele eine der wenigen Möglichkeiten ist, dem schrittweisen Leistungsabfall in der gesetzlichen Rente zu begegnen. Dies gilt jedoch nur für Menschen, die ein Einkommen im Alter oberhalb des Existenzminimums erreichen werden. Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und die Ausweitung des Niedriglohnsektors führen jedoch dazu, dass dies immer weniger Menschen gelingen wird. Laut Monitor hat die deutsche Rentenversicherung berechnet, dass ein Durchschnittsverdiener mit Rente und Riesterrente erst nach 32 Jahren eine Gesamtrente oberhalb der Grundsicherung bekommt. Die staatliche Subventionierung der Riesterrente kommt also wesentlich den Besserverdienenden zu Gute.

Finanzwissenschaftler der Freien Universität Berlin ziehen ein niederschmetterndes Fazit. Die Förderung der Riesterrente provoziert wesentlich Mitnahmeeffekte, da das Sparaufkommen gerade von Haushalten mit niedrigem Einkommen nicht durch Riestern erhöht, sondern lediglich beim Sparen umgeschichtet wird. Für das Jahr 2008 kalkuliert die Regierung eine Subvention für die private Zusatzvorsorge in Höhe von 12,8 Milliarden Euro. Mit dieser hübschen Summe ließe sich die Grundsicherung auf ein Niveau anheben, das Armut im Alter vermeidet.

Der Staat kann aber auch ohne eigene Finanzierung zu einer besseren Altersvorsorge beitragen - wenn er die Arbeitgeber in die soziale Pflicht nimmt. Er muss einen Mindestlohn festlegen und den Arbeitgeberanteil zur sozialen Sicherung wieder erhöhen. Letzteres bedeutet die Rücknahme der Rentenniveauabsenkung, die Verabschiedung vom Beitragssatzdogma und damit die Rücknahme der Teilprivatisierung der Altersvorsorge. Die heutige Demontage der vorrangigen Sicherungssysteme entscheidet wesentlich darüber, ob und wie viele Menschen auf eine Grundsicherung im Alter angewiesen sind.

Die Riesterrente ist nicht die Lösung des Problems, sondern seine Folge. Das gesetzliche Rentensystem muss gestärkt und der Solidarausgleich im System ausgebaut werden, um geringe Rentenansprüche anzuheben. Was heute an Milliarden für die Riesterrente verpulvert wird, könnte der Staat direkt in das gesetzliche Rentensystem fließen lassen und real bewirken, was er vermeintlich bezweckt: die Rentenansprüche von Geringverdienern gezielt aufstocken.

Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und die Ausweitung des Niedriglohnsektors führen dazu, dass immer weniger Menschen im Alter ein Einkommen über dem Existenzminimum erreichen werden