Die Telekom schließt Callcenter, für die sie Fördermittel kassiert hat

Oliver Löhr arbeitet im Telekom-Callcenter Berlin-Karlshorst - noch

Die Deutsche Telekom AG (DTAG) will ihre Callcenter auf 24 Städte konzentrieren und sich aus 39 Städten zurückziehen. Geplant ist, 59 Callcenter zu schließen. Die betroffenen 8000 Beschäftigten - von insgesamt 18000 - sollen in die verbleibenden Standorte wechseln. Auf der Streichliste stehen in Berlin alle fünf Callcenter, in denen auch 90 Schwerbehinderte arbeiten. Einer von ihnen ist Oliver Löhr. Er arbeitet in der Hotline für Telekom-Geschäftskunden. Ab wann er in Frankfurt/Oder arbeiten soll, weiß er noch nicht. Aber er weiß, dass er jeden Tag pendeln müsste, 100 Kilometer hin und 100 Kilometer zurück. "Das kann ich nicht", sagt er.

Dabei wurde reichlich investiert, als er im Callcenter Berlin-Karlshorst anfing, damit er überhaupt dort arbeiten kann. Sein Arbeitsplatz wurde behindertengerecht ausgestattet. "Mir wurde damals gesagt, das habe mehr als 17000 Euro gekostet", erzählt Oliver Löhr. Zusätzlich wurden eine Rampe und eine behindertengerechte Toilette gebaut, Automatiktüren eingesetzt und die Griffe an den Fenstern so angebracht, dass Oliver Löhr sie erreichen kann. Wie viel von den Kosten das Berliner Integrationsamt für die Telekom übernommen hat, weiß er nicht, und die Behörde schweigt. Die Auskunft falle unter den Datenschutz, heißt es.

Viel Geld für die Callcenter

Auch aus anderen Töpfen hat die Telekom für ihre Callcenter öffentliche Mittel erhalten, wie die Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Linkspartei mitteilte: "Das Unternehmen hat für die Standorte Dortmund, Erfurt, Leipzig und Berlin Fördermittel im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe ,Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur' erhalten."

Mit dem Programm sollen Dauerarbeitsplätze erhalten oder geschaffen werden. Arbeitgeber, die auf diesem Weg Geld bekommen haben, dürfen die Arbeitsplätze für einen festgelegten Zeitraum, Bindungsfrist genannt, nicht wieder abschaffen. Die Bindungsfristen für Dortmund und Erfurt sind bereits 2005 und für Leipzig 2007 ausgelaufen. "Die Bindungsfrist für die Immobilie in Berlin läuft noch bis 2010. Diese Immobilie wird allerdings auch nach Schließung des Callcenters Berlin weiterhin vom Unternehmen genutzt", betonte die Bundesregierung.

Unterstützt wurde die Telekom bereits in den 90er Jahren auch von der Europäischen Union beim Aufbau von Telearbeitsplätzen, aus denen die Callcenter hervorgingen. Ausgangspunkt war das "Brandenburger Innovationsnetzwerk für Arbeitnehmer", an dem das Land Brandenburg, die Deutsche Postgewerkschaft, die IG Medien, die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen und die Telekom beteiligt waren. "Insgesamt hatte das Projekt ein Volumen von rund 3,4 Millionen DM, allein für Telekommunikation wurden zwei Millionen Mark ausgegeben, ein Großteil waren Fördermittel der Europäischen Gemeinschaft", erinnert sich Mike Döding, ver.di-Landesfachbereichsleiter für Telekommunikation in Berlin-Brandenburg und damals für die Deutsche Postgewerkschaft an dem Projekt beteiligt. Diese Fördermittel sind aus den Bindungsfristen heraus, eine Rückforderung des Geldes ist also nicht möglich.

Und jetzt noch Kohle aus Brandenburg?

Um zu verhindern, dass die Telekom jetzt für den Ausbau ihres Callcenters in Frankfurt/Oder Fördermittel beantragt, gab es Gespräche zwischen den Ländern Berlin und Brandenburg. "Es hat sowohl Kontakte zwischen unserem Haus und dem Wirtschaftsministerium Brandenburg, aber auch auf ‚höchster Ebene' zwischen dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und dem Ministerpräsidenten von Brandenburg, Matthias Platzeck, gegeben", teilte Petra Schwarz, Sprecherin des Berliner Wirtschaftssenators Harald Wolff (Die Linke) mit. Zwischen Berlin und Brandenburg gibt es eine Vereinbarung, dass eine Förderung ausgeschlossen ist oder nur in gegenseitigem Einvernehmen erfolgen darf, wenn ein Unternehmen von Berlin nach Brandenburg zieht. Sollte die Telekom Förder- mittel für Frankfurt/Oder beantragen, wollen die Länder darüber gemeinsam entscheiden.

Jetzt gibt es wenigstens einen Hoffnungsschimmer, dass die Telekom in persönlichen Härtefällen Rücksicht nimmt. Auf Anfrage des Berliner Bundestagsabgeordneten Swen Schulz (SPD) teilte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit: "Vielmehr will die Deutsche Telekom AG in den Fällen, in denen ein Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen nicht zu einem Wechsel des Arbeitsortes in der Lage ist, versuchen, eine Übernahme durch andere ortsansässige Telekom-Einheiten zu ermöglichen, soweit erforderlich auch mittels zusätzlicher Qualifizierungsmaßnahmen." Oliver Löhr hofft auf eine andere Lösung: "Ich warte erstmal ab. Einfach entlassen können sie mich als Schwerbehinderten doch nicht."