Warnstreik in München - viele zeigen ihre Solidarität mit den XXXLutz-Beschäftigten

Schneller lässt sich ein Kaufhaus kaum schließen: 5. Oktober, später Nachmittag, über die Sprechanlage werden die Beschäftigten ins Restaurant bestellt. Dort erfahren sie, dass XXXLutz aus Münchens Innenstadt verschwindet. Sofort. Die gesamte Belegschaft ist entlassen. Die Nachricht erreicht die Betriebsratsvorsitzende Anna Reichert im Urlaub. "Ich war so geschockt, ich konnte nicht einmal mehr Auto fahren", sagt sie. Mit dem nächsten Zug kehrt sie nach München zurück und trifft auf verzweifelte Kollegen. Auch die Telefonistin Monika Fackler war ahnungslos: "Wir wussten nichts."

Asyl im Gewerkschaftshaus

Den so brutal Entlassenen lässt man zwei Tage Zeit, um ihre persönlichen Sachen abzuholen, dann wird der Zugangscode zu den Mitarbeitereingängen verändert, Belegschaft und Betriebsrat werden regelrecht ausgesperrt. Selbst mit Unterstützung der Polizei kommen die Betriebsräte nicht mehr ins Haus. "Die Mitbestimmungsrechte sind auf elementare Weise verletzt worden", sagt der für XXXLutz zuständige ver.di-Sekretär Dirk Nagel. Die neun Betriebsräte erhalten im Gewerkschaftshaus "Asyl", um ihre Arbeit fortzusetzen.

Schon eine Woche später startet der Räumungsverkauf mit Mitarbeitern anderer Filialen. XXXLutz lässt über einen Unternehmenssprecher verlauten, das geschehe aus Angst vor Streiks, die den Verkauf stören könnten. Tatsächlich aber liegen die Gründe bei den verschachtelten Betreiberstrukturen: So ist XXXLutz zwar eine Möbelhauskette mit deutschlandweit 27 Filialen und 10.000 Beschäftigten, doch das Personal ist bei verschiedenen Dienstleistungsgesellschaften angestellt. Gemeinsam ist den Häusern nur die Marke, der "rote Stuhl" vor dem Eingang. XXXLutz betrachtet sich deshalb nicht als Konzern. In Münchens Innenstadt betreibt die BDSK Handels GmbH und Co. KG den Möbelverkauf. Bei zwei weiteren Gesellschaften sind die Beschäftigten angestellt, bei der KA Vertriebs und der KA Dienstleistungs-GmbH & Co KG, und die haben die sofortigen Entlassungen ausgesprochen. Das Personal für den Ausverkauf hat sich der Möbelvertreiber dann woanders "ausgeliehen". Und selbst auf der Homepage wurden die Münchner umgehend gelöscht.

Unübersehbare Botschaft

Jetzt kämpft der Betriebsrat um das, was noch geht: die Zahlung der Gehälter bis zum 30. Juni 2014, die Übernahme in andere Filialen und den Sozialplan. Zudem muss sehr schnell ein Betrieb für die 13 Auszubildenden gefunden werden. Eine angehende Dekorateurin hofft auf einen Job in einem anderen Möbelhaus. Wenn sie in eine weitere Filiale von XXXLutz käme, hätte sie Angst, man würde sie dort nur bis zur Prüfung behalten.

ver.di fürchtet um die ausstehenden Löhne und Gehälter, die den Beschäftigten noch bis zum Ende der Verträge zustehen, und um die Finanzierung des Sozialplans. Die Gesellschaften, bei denen das Personal angestellt ist, haben angeblich beide kein Geld für den Sozialplan. Deshalb hat ver.di eine sogenannte Patronatserklärung der Möbelhauseigentümer Richard und Andreas Seifert gefordert. "Darin muss verbindlich festgelegt sein, dass die Löhne und Gehälter so lange weitergezahlt werden, bis der Sozialplan abgeschlossen ist und die Kündigungsfristen erreicht sind", sagt Dirk Nagel. Die Gewerkschaft kämpft außerdem dafür, dass die Beschäftigten, die teilweise jahrzehntelang für das Möbelhaus gearbeitet haben, in eine Transfergesellschaft übernommen und qualifiziert werden, damit sie nicht direkt in die Arbeitslosigkeit rutschen.

Nun geht's vor Gericht weiter

Auf mehreren Protestkundgebungen haben die Streikenden inzwischen viel Zuspruch aus der Bevölkerung bekommen. Das Unternehmen hat mit Schadensersatzansprüchen gedroht. Die Marke XXXL dürfe nicht ohne Erlaubnis verwendet werden. Die Art und Weise der Schließung und die Ansprüche der Beschäftigten müssen nun gerichtlich geklärt werden. Zu klären ist auch die Frage, was für ein Konstrukt die Warenhauskette XXXLutz nun wirklich sei, sagt Dirk Nagel. Und ob es sich nicht doch um einen Konzern handele.