ver.di-Lesung mit Landesbezirksleiter Bothner und Kasseler Kitakindern

In sommerlicher Hitze hatte sich der hessische Landesbezirksleiter Jürgen Bothner wieder aufgemacht, Kolleg*innen in ihren Betrieben zu besuchen und sich vor Ort über die neuesten Entwicklungen zu informieren. Stundenweise packte er auch selbst mit an, um ein Gefühl für die jeweilige Tätigkeit zu bekommen. In diesem Jahr half er Hanauer Hortkindern bei den Hausaufgaben, wuchtete bei der Wiesbadener ESWE hundert Kilo schwere Omnibusreifen und las Kitakindern in Kassel aus einem Bilderbuch vor. In all diesen Bereichen fehlen Fachkräfte. Die Kolleg*innen klagen, das Ansehen der Berufe schwinde. So verwundert es nicht, dass der Erzieher*innenmarkt leergefegt ist.

„Gegen Fachkräftemangel hilft, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Dazu gehört es, auf die Qualifikation der Beschäftigten abzuheben und wertzuschätzen, wo sehr gute Arbeit geleistet wird. Die Arbeitsbedingungen müssen stimmen“, adressierte Jürgen Bothner an die städtischen Arbeitgeber. Die Erzieher*innen sollten in Vollzeit die Rente gesund erreichen und nicht schon Jahre vorher ihren Beruf nicht mehr ausüben können. „Die Arbeitsbedingungen müssen so gestaltet sein, dass eine junge Frau, ein junger Mann sich vorstellen kann, den Beruf 40 Jahre lang auszuüben.“

Solche Bedingungen kosten natürlich Geld, und hier nimmt Bothner auch die Gesellschaft in die Pflicht. „Wenn Kinder bereits in der Kita für das Leben gebildet werden und der öffentliche Personen-Nahverkehr dazu beiträgt, die Schadstoff-Emissionen in unseren Innenstädten zu begrenzen, dann ist das öffentliche Daseinsvorsorge im besten Sinn. Dafür muss die Gesellschaft bereit sein, einen angemessenen Preis zu zahlen. Geiz ist geil, gilt hier nicht“.

Bothner war beeindruckt von den pädagogischen Konzepten in den besuchten Kinderhäusern Saalburgstraße in Hanau und Landaustraße in Kassel. So hat die Stadt Hanau ein Ernährungskonzept für die Kinder ausgearbeitet, in Hanauer Kitas wird jeden Tag frisch gekocht, es gibt feste Tischrituale und -regeln. In Kassel werden unter anderem das Demokratieverständnis und die Entscheidungskompetenz der Kinder gefördert. Sie können sich jeden Tag zu einer festen Uhrzeit ein bestimmtes Angebot unter vielen aussuchen, wie unlängst das Vorlesen des Landesbezirksleiters. Jeden Donnerstag ist Kinderhaus-Vollversammlung. Dort können sie vor allen anderen sagen, was ihnen gut gefallen hat und auch Kritik üben. Diese wird dann aufgegriffen, die Erzieherinnen nehmen wertschätzend Stellung.

Beispiel ÖPNV

Branchenwechsel zum öffentlichen Personennahverkehr. Bei der ESWE-Verkehr in Wiesbaden kann man sehen, wie ein ehemaliges Busunternehmen sich zum öffentlichen Mobilitätskonzern entwickelt. Wiesbaden hat keine Klage wegen Feinstaub bekommen, weil die Politik zugesagt hat, den ÖPNV auszubauen. So setzt die ESWE auf E-Busse und Wasserstofffahrzeuge. Sie hat sich einen Fahrradverleih zugelegt und plant weitere moderne öffentliche Transportweisen. So wurde die Feinstaubbelastung zumindest am Grenzwert gehalten und nicht weiter erhöht. Das Herzstück sind und bleiben aber weiterhin die Busfahrer*innen. Doch es gibt nicht genug, das Image des Berufs ist schlecht. Der ver.di-Landesbezirksleiter fordert die Arbeitgeber im öffentlichen Dienst deshalb auf, Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu verbessern: „Was nützt der beste und umweltfreundlichste Fahrzeugpark, wenn du kein Personal zum Fahren hast.“

Beispiel Altenpflege

Letzte Station der Sommertour war kein Betrieb in öffentlicher, sondern in kirchlicher Hand. In Neu-Isenburg besuchte Jürgen Bothner das Pflegeheim „An den Platanen“ der „Mission Leben“. Ein neu gegründeter Arbeitgeberverband und Beschäftigte dort stehen vor ihren ersten Tarifverhandlungen. Ein Tarifvertrag wäre der erste mit einem kirchlichen Träger in Hessen. Bislang zahlen kirchliche Arbeitgeber nach eigenem Vergütungssystem.

Die Geschäftsführung der Mission Leben will nun gemeinsam mit den anderen diakonischen Unternehmen in eigenen Verhandlungen eine tragfähige Sozialpartnerschaft mit guten, zur Pflegebranche passenden Ergebnissen erreichen. Jürgen Bothner begrüßt das: „Die Arbeit am und mit den Menschen muss gesellschaftlich mehr Wertschätzung erfahren, darin sind wir uns schon lange einig. Dass man sich nun endlich auf einen gemeinsamen Weg macht, ist gut für die dort Beschäftigten und gut für das gemeinsame Wollen.“