Extra-Telekom-Streik 2007
Ein Vorbild auch für andere Branchen
frank bsirske ist der ver.di-Vorsitzende
Noch nie hat ein Dax-Unternehmen in der Geschichte dieses Landes derartig unverschämte Versuche gestartet, die Einkommens- und Beschäftigungsverhältnisse seiner Mitarbeiter zu verschlechtern. Die Arbeitsplätze und Existenzen von bis zu 50000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden massiv bedroht. Sie sollen in "Service-Gesellschaften" verschoben werden, u.a. eine Wochenarbeitszeit-Verlängerung von 34 auf 38 Stunden ohne Lohnausgleich in Kauf nehmen und zusätzlich auf 9 Prozent Gehalt verzichten, während gleichzeitig über drei Milliarden Euro an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Und als ob das noch nicht genug wäre, sollen die Anfahrzeiten zum Kunden und arbeitsvorbereitende Tätigkeiten unbezahlt in die Freizeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlegt werden. Pausen- und Erholzeiten, die insbesondere bei anstrengender Bildschirmtätigkeit erforderlich sind, werden als angebliches "Relikt aus der Vergangenheit" für überflüssig erklärt. Auf über 40 Prozent Umverteilung summiert sich umgerechnet dieses "Angebot" an die betroffenen Beschäftigten!
Nicht nur Presse und Öffentlichkeit, auch die Vorstände und das Management anderer Unternehmen und Gesellschaften schauen mit Argusaugen auf den Ausgang dieser Auseinandersetzung. Sollte sich das Telekom-Management mit seiner "Bulldozer-Politik" durchsetzen, werden auch sie auf dieses Vorbild für Gewinnmaximierung auf Kosten der Beschäftigten zurückgreifen. Sollte es in einem gewerkschaftlich hoch organisierten Unternehmen gelingen, so etwas durchzusetzen, können wir nach gleichem Muster mit flächendeckenden Angriffen in der deutschen Wirtschaft rechnen. Auch aus diesem Grund stehen die gesamte Organisation ver.di und die DGB-Gewerkschaften voll an der Seite der streikenden Kolleginnen und Kollegen. Die Telekom ist nur die Vorhut für Auseinandersetzungen in allen anderen Branchen der deutschen Wirtschaft und Industrie.
Wer geglaubt hatte, in Zeiten des Aufschwungs seien die Arbeitgeber bereit, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wieder ihren Anteil am Gewinn zu belassen, der sieht sich herb getäuscht. Außer den Ackermännern gibt es nun auch noch die Obermänner, und wenn wir uns nicht wehren, werden es immer mehr!