Seit sechs Wochen streiken Beschäftigte der Telekom. Seit dem ersten Warnstreik am 11. April hatte die Telekom-Führung Gelegenheit, ihre Pläne zu überdenken. Seit zwei Wochen ist es nun ernst. Aus den Warnstreiks wurden Erzwingungsstreiks, Notwehrstreiks, Empörungsstreiks. Aber nichts hat sich bewegt. Das Telekom-Management will durchziehen, auf Biegen und Brechen.

22. Mai: Beschäftigte des Telekom-Standorts Kritzmow nahe Rostock legen sonst lange Glasfaserleitungen

Die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen einen guten, einen hervorragenden Service für die Millionen Telekom-Kunden. Dafür haben sie sich in den letzten Jahren mit Leidenschaft engagiert. Aber nach 18 vom Management verordneten Organisationsreformen, nach nicht enden wollender Unruhe im Betrieb und systematischer Chaotisierung professioneller Arbeitsstrukturen und Kompetenz bleibt von der Leidenschaft nur noch das Leid.

Und jetzt der Versuch, ganze Bereiche des Konzerns mit brachialer Gewalt in den Niedriglohnsektor abzudrängen. Mit Löhnen, die zum Teil unter der Mindestlohnschwelle von 7,50 Euro liegen. Die Telekom will sich einen Konkurrenzvorteil verschaffen - mit Lohndumping. Wer, so fragen auch viele unzufriedene Telekom-Kunden, soll sich unter diesen Bedingungen für den versprochenen besseren Service engagieren?

Die Bevölkerung zeigt Verständnis für den Streik

Der Streik richtet sich nicht gegen die Kunden, selbst wenn es in der aktuellen Auseinandersetzung zu einzelnen Einschränkungen für die Kunden kommen kann. Verzögerungen gibt es bei Neuanschlüssen, Umschaltungen und beim Störungsdienst. Die Hotlines der Telekom sind schwer erreichbar.

Dennoch ist der Streik der Telekom-Beschäftigten populär. In Umfragen äußern sich regelmäßig über 70 Prozent der Befragten positiv zum Streik. Sie haben Verständnis für die Empörung, für die Gegenwehr der Telekom-Beschäftigten. Die Menschen wissen: Es muss eine Grenze geben mit den Zumutungen, mit den Angriffen auf die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer.

Das Telekom-Management hat diese Grenze überschritten und verschärft den Konflikt zusätzlich durch Drohungen, mit Repression gegen Streikende und Nichtstreikende, etwa die bei der Telekom beschäftigten Beamten. Auch sie dürfen nicht zu Streikbrecherarbeiten abgeordnet werden, auch nicht eilig herbeigeholte Leiharbeitskräfte.

Telekom-Beschäftigte in München zogen am Dienstag, einen Tag vor dem bundesweiten Streikaktionstag, vor den bayrischen Justizpalast, um den Telekom-Vorstand "anzuklagen" wegen Missachtung des Grundrechts auf Streik: "Recht muss Recht bleiben, auch im Streik. Es ist unanständig, den eigenen Mitarbeitern Angst einzujagen. Die Telekombeschäftigten haben derzeit Angst genug, nämlich um ihre eigene Zukunft".

Telekom: Auf Biegen und Brechen gegen die Beschäftigten. 50000 drohen geringere Löhne bei längerer Arbeitszeit. Die Antwort: Streik

Finanzkolumnist Lucas Zeise in der Financial Times Deutschland, 15. Mai:

"Sinnlose Lohndrückerei

... Pro Beschäftigten könnte der Konzern ... im Jahr 10000 Euro sparen. Das ergäbe eine Summe von 500 Mio. Euro im Jahr. Das ist ein hübsches Sümmchen. Für ein Unternehmen, das mehr als das Sechsfache dieses Betrages jährlich ausschüttet, ist die Behauptung allerdings kühn, diese Sparmaßnahmen seien zwingend. Die Telekom schüttet ohne Not mit 3,1 Mrd. Euro einen außerordentlich hohen Betrag aus. Sie preist diese Tatsache und die hohe Dividendenrendite der Aktie von über fünf Prozent in der Tat als besonders attraktiv an. Die Ausschüttung ist auch gemessen am Geschäftsvolumen sehr hoch. Sie macht fünf Prozent des Konzernumsatzes aus. Es besteht kein Zwang, ein so außergewöhnlich hohes Ausschüttungsniveau beizubehalten ..." (vollständiger Text: www.verdi.de)