Ausgabe 01/2007-02
Die Falle muss nicht zuschnappen
In der Hoffnung auf Einsparungen gehen Kommunen PPP-Projekte ein und zahlen drauf
Ehe der Amtsschimmel ein Mal wiehert (er tut dies mit Tariflohn, Urlaub und gemächlicher Laufbahn), hat der private Tausendsassa schon drei Mal in die Hände gespuckt (er tut dies billig, qualifiziert und schnell). Diesem Traum erliegen Kommunalpolitiker zunehmend auch in Hessen. Und der Wunschtraum hat sogar einen Namen: PPP - public-private-partnership oder neudeutsch: ÖPP. Dabei ist der Glaubenssatz alt, lediglich der Name ist aufgepeppt. Doch wer kennt nicht die trostlose Wirklichkeit: Die öffentlichen Kassen sind leer, Straßen und Kanalisation vergammeln, Schulen und Verwaltungsgebäude bröckeln vor sich hin. Kindergärten, Sportanlagen oder gar Gefängnisse - manchem Politiker bricht der Angstschweiß aus, wenn er an die Kosten denkt. Augen zu und schnell an Private loswerden, heißt da häufig die Devise.
Karsten Arendt
Dabei müsste es stutzig machen, dass Bau- und Immobilienunternehmen oder Banken gar nicht ängstlich, sondern sehr interessiert sind. ver.di ist den Dingen auf den Grund gegangen. Im Kreis Offenbach zum Beispiel träumt der Landrat davon, die Sanierung und Bewirtschaftung der Schulen binnen fünf Jahren bewerkstelligen zu lassen, im Rahmen von PPP versteht sich. Das heißt konkret, eine Projektgesellschaft gehört zu 94,9 Prozent einem privaten Unternehmen und zu 5,1 Prozent dem Kreis Offenbach. Die Argumente der Befürworter lauten: Nur ein privater Betreiber ist in der Lage, die Schulen in kurzer Zeit in einen baulich guten Zustand zu bringen. Und eine private Bewirtschaftung ist auf alle Fälle billiger und qualifizierter. Wenn diese Rechnung wirklich aufginge, wer könnte schon dagegen sein?
Nachrechnen empfiehlt sich
Vorsichtshalber hat der Personalratsvorsitzende im Landratsamt, Karsten Arendt, und mit ihm der ver.di-Bezirk nachgerechnet. Sie haben sich den Haushalt des Kreises über mehrere Jahre vorgeknöpft (allein dies beweist Unerschrockenheit) und Interessantes zu Tage gefördert. In den nächsten 15 Jahren wird im Westkreis die Bewirtschaftung der Schulgebäude von der Firma SEK übernommen, im Ostkreis erhielt Hochtief den Zuschlag für den gleichen Zeitraum. Beide Firmen zusammen werden dem Kreis nach all den Jahren mit rund 780 Millionen Euro eine Rechnung präsentiert haben, die um 60 Prozent über den jetzigen Ausgaben liegt.
Da fragt sich Arendt, wie das bezahlt werden soll. Er befürchtet, dass für dieses Privatisierungsprojekt Kredite aufgenommen werden müssen, die wiederum drastische Sparmaßnahmen zur Folge haben werden. Weiterer Abbau von öffentlichen Leistungen und von Arbeitsplätzen steht somit auf der Tagesordnung. Arendt fragt sich weiter, ob der Kreis Offenbach vielleicht einen Dukatenesel versteckt hält. Dessen "Geschäfte" könnten aber ebenso wie die bereits aufgebrachten zehn Millionen Euro für Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsbüros in die alten und in neue Schulen gesteckt werden. Oder will der Kreis Offenbach sich vielleicht selbst aufgeben?
Mit Fällen wie diesem hat sich die Landeskonferenz des Fachbereichs Gemeinden Ende Januar beschäftigt. In einem Antrag wird der ver.di-Bundesvorstand zu einer unmissverständlichen Ablehnung von PPP aufgefordert. Man sieht die Gefahr einer langfristigen Bindung kommunaler Haushaltsmittel und damit eine Verengung des politischen Gestaltungsspielraums. Darüber hinaus zwingen die Auftragsbedingungen von PPP-Betreibern kleinere Unternehmen zu Tarifflucht und Lohndumping, zur Verletzung von Gesundheits- und Sicherheitsbestimmungen, zu Qualitätsminderungen bei der Auftragserledigung. Gerhard Abendschein, Landesleiter des Fachbereichs Gemeinden, formuliert unverblümt: "Es geht nicht um Einsparungen, sondern von interessierter Seite regelrecht um eine Plünderung öffentlicher Haushalte." Die Landesfachbereichskonferenz befürchtet gar mit dem Ausverkauf öffentlichen Eigentums eine weitgehende Steuerung politischer Verantwortung durch private Unternehmen und ein ernstes Risiko für die demokratischen Grundlagen.
Besser: Verstadtlichung
Dass es auch anders gehen kann, berichtete das Fernsehmagazin Monitor. Die nordrheinwestfälische Stadt Bergkamen übernahm die Müllabfuhr wieder in öffentliches Eigentum. Verstadtlichung! Mit einem Ergebnis wie im Traum: 30 Prozent Kostensenkung für die Stadt, Tariflohn für zufriedene Mülllwerker, moderne Fahrzeuge und Senkung der Gebühren für die Bürger. Die Privatisierungsfalle muss also nicht zuschnappen.Renate Bastian