Hausdurchsuchung online?

Der ehemalige Innenminster Gerhart Baum sprach bei ver.di über Angriffe aufs Grundgesetz

Nicht gerade alltäglich: Ein FDP-Mann, ehemaliger Bundesinnenminister und einst Mitglied in der Geschäftsführung des Deutschen Arbeitgeberverbandes, als Hauptreferent bei einer ver.di-Veranstaltung. Und der Mann bekommt im vollen Saal des Münchner Gewerkschaftshauses dann auch noch jede Menge Beifall.

Es lag am Thema: "Je mehr Not, desto mehr Notstand oder: Grundgesetz - war das was?" hieß die Veranstaltung, zu der ver.di Gerhart Baum (Bundesinnenminister von 1978 bis 1982) und Gabriele Heinecke vom Republikanischen Anwälteverein eingeladen hatte. Es ging um Maßnahmen und Projekte der Bundesregierung, die sich gegen demokratische Grundrechte und das Grundgesetz in seiner bisherigen Form richten und gegen den damit verbundenen massiven Um- und Ausbau des Staatsapparates.

Gerhart Baum

Die alte Parole

"Wir sind auf dem Wege in eine Überwachungsgesellschaft", meinte Gerhard Baum einleitend. "Viele interessiert das nicht. Sie sagen: ‚Ich habe nichts zu verbergen.' Dann sage ich: ‚Sie sind dann aber ein verdammt uninteressanter Mensch.'" Am Beispiel von Lauschangriffen, Rasterfahndung, Mautüberwachung und - ganz aktuell - der in Nordrhein-Westfalen bereits in Gesetzesform gegossenen Möglichkeit, private Computerinhalte amtlicherseits auszuforschen (Baum: "Hausdurchsuchung online") wies der Referent darauf hin, wie nicht mehr nur scheibchenweise Grundrechte auf dem Altar einer angeblichen Terrorabwehr geopfert werden. Es gelte wieder "die alte Parole": "Freiheitsrechte stören die Ausweitung von Sicherheit."

Gerhard Baum betonte aber auch, dass man dies nicht wehrlos über sich ergehen lassen müsse. Ein Beweis dafür sei der Erfolg, den er und seine Mitstreiter erzielen konnten, als sie gegen den von Innenminister Schäuble geplanten Abschuss von entführten Passagierflugzeugen vor das Bundesverfassungsgericht gingen und dort Recht bekamen. Er wisse natürlich auch, dass von der Politik versucht werde, das Verfassungsgerichtsurteil zu umgehen. Es müsse also weiter gekämpft werden, stellte Baum fest.

Im Anschluss befasste sich Gabriele Heinicke mit Formen des Demokratieabbaus, die bereits - von den meisten unbemerkt - im Zuge der Föderalismusreform beschlossen worden sind und mit der Zusammenfassung und Zentralisierung von Polizei-, Geheimdienst- und militärischen Apparaten und verlangte von den Gewerkschaften, sich hier mehr als bisher für die Erhaltung demokratischer Grundrechte zu engagieren. Dies sahen auch die Anwesenden so, die nach einer, in Details auch kontroversen, Diskussion einstimmig mit zwei Enthaltungen eine Resolution verabschiedeten, in der ver.di und der DGB aufgefordert wurden, die Diskussion zu diesen Themenbereichen in die Mitgliedschaft und in die Betriebe zu tragen.

ERNST ANTONI


Stoiber gegen Sozialraub?

Protest gegen die "Reformvorhaben" der Regierung wurde in die Betriebe getragen

Mit diesem Stoiber könnte man es aushalten

Wer hätte das gedacht: Kaum nähert sich das Ende seiner Ära, reiht sich der Stoiber bei den ver.di-Protestlern ein und zeigt die geballte Faust. Und dann ergreift er auch noch das Wort und sagt solche Sachen: "Es darf nicht sein, dass ein einfacher Angestellter jedes Jahr mehr für Steuern, Heizung und Benzin bezahlt, und ein reicher Millionär sich davonstehlen kann. Wir brauchen einen Neuanfang."

Wie im Kabarett

Trotz der frappierenden Ähnlichkeit und den bekannten "Ähs" - er war's nicht selber. Wolfgang Krebs begeisterte auf der Protestkundgebung der Postbank und Postfilialen mit einer Kabaretteinlage. Bekannt als Stoiber-Double aus der Sendung Quer des Bayerischen Fernsehens, trug der Künstler zum Gelingen der Aktion bei.

Gemeinsam mit dem DGB hatte ver.di vom 29. Januar bis 2. Februar zu einer betrieblichen Aktionswoche aufgerufen, um über die "Reformvorhaben" der Regierung zu informieren. Nach dem erfolgreichen DGB Protesttag am 21. Oktober 2006 - allein in München nahmen über 30000 Menschen an einer Kundgebung teil - wurde der Protest in die Betriebe getragen, denn die Arbeitgeber sind die Nutznießer einer Politik des Sozialabbaus. Sie werden bei der Gesundheitsreform und der Rente mit 67 entlastet und sollen sogar ein Steuergeschenk von mehreren Milliarden Euro erhalten.