Mit Paragraphen gegen die Pressefreiheit

Der Fachbereich Medien, Kunst und Industrie von ver.di Baden-Württemberg spricht sich in einer Solidaritätserklärung gegen die Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei aus. Anlass war ein Prozess Mitte April. Die Mehrheit der angeklagten Journalist/innen wurde nach sieben Monaten Haft zwar freigelassen, doch schon während des Prozesses nahm die Polizei erneut 104 Menschen fest. 20 von ihnen sind noch in Haft.

Die Festnahmewelle in der Türkei hatte Mitte September 2006 bei der sozialistischen Wochenzeitung Atilim begonnen. Ihren Höhepunkt fand sie eine Woche später bei einer landesweiten Razzia, die sich vor allem gegen sozialistisch ausgerichtete Medien, Gewerkschaften und Organisationen richtete. Dabei wurden mehr als 100 Menschen festgenommen. Weitere Verhaftungen folgten, die letzten im März. Die Anwälte der Inhaftierten bekamen sechs Monate keine Akteneinsicht.

Seit der Einführung des neuen Antiterrorgesetzes im Juni 2006 kam es in der Türkei immer wieder zu Angriffen auf die Meinungs- und Pressefreiheit. Dabei wird nicht nur der berüchtigte Artikel 301 als Instrument genutzt. Die Website der sozialistischen Wochenzeitung Alinteri wurde eine Woche lang gesperrt - dabei wurde unter anderem der Artikel 24 ("Angriff auf persönliche Rechte") an- gewendet. Der eigentliche Grund war ein kritischer Bericht über die Arbeitsbedingungen an der Selcuk-Universität. Sakine Yalcin, die frühere Herausgeberin von Alinteri, hat bisher 1450 Euro Geldstrafe bezahlt, weitere 14000 Euro soll sie noch zahlen oder ins Gefängnis gehen. Der Preis dafür, den "Justizminister zu beleidigen" liegt bei 330 Euro, es gilt Artikel 125: "Beleidigung einer Person".

Doch der türkische Staat findet, dass die Gesetze noch nicht ausreichen, um die Presse unter Druck zu setzen. Bald, vermuten Journalisten, wird ein restriktives Internetgesetz auftauchen und die Arbeit kritischer Kollegen weiter erschweren. Ayse Egilmez