Ausgabe 05/2007
Blinker setzen und rein
Mindestlohn-Tour durch Deutschland: jeden Tag in einer anderen Stadt
Stephan Hüttner, 28, ist selbstständiger Mediendesigner und einer von drei Truckfahrern bei der Mindestlohn-Tour von NGG und ver.di
ver.diPUBLIK | Ein dickes Ding fahren Sie da. Wie viel PS hat der Wagen? Was wiegt er?
hüttner | Zugelassen ist das Gespann auf bis zu 40 Tonnen, da wir aber nur die Ausstellung geladen haben schätze ich mal 20 Tonnen. Mit den 460 PS sind also auch die Kasseler Berge angenehm zu fahren.
ver.di PUBLIK | Und wie viel Schadstoff blasen Sie in die Umwelt?
Hüttner | Wie viel Schadstoffe ich in die Luft blase, ist den Papieren leider nicht zu entnehmen, und der Umweltpass für Fahrzeuge ist noch nicht vorgeschrieben. Allerdings ist die Zugmaschine frisch vom Band vor den Mindestlohn-Truck gekommen, als lärmarm und mit der Schadstoffklasse Euro 5 ausgezeichnet und hat auch einen Partikelfilter. Das sollte schon recht sauber sein. Mit wirtschaftlicher Fahrweise verbrauchte ich bis jetzt im Schnitt 26,6 L/100km, also circa 1,3 Liter pro Tonne. Da hänge ich jeden Kleinwagen um Längen ab.
ver.di PUBLIK | Wie fädelt man so ein Monster in den Stadtverkehr ein? Hatten Sie schon Blechkontakt?
Hüttner | Blinker setzen und rein. Bis jetzt gab es da keine Probleme.
ver.di PUBLIK | Was fahren Sie sonst?
Hüttner | Bahn. In Berlin-Mitte braucht man kein Auto. Außerdem kann man beim Autofahren weder lesen noch schlafen.
ver.di PUBLIK | Was verdienen Sie?
Hüttner | Wir werden tageweise bezahlt. Wenn man sich für den Mindestlohn einsetzt, muss man natürlich bei sich selbst anfangen.
ver.di PUBLIK | Wie viele Leute sind auf der Tour unterwegs?
Hüttner | Unser Team besteht jeweils aus vier Personen, wir werden aber immer tatkräftig von den Gewerkschaftern vor Ort unterstützt. Insgesamt sind es mehr Leute, so um die 20, darunter drei Fahrer.
ver.di PUBLIK | Kommen Sie auch mit Passanten ins Gespräch?
Hüttner | Ich bin ja nicht nur als Fahrer dabei. Mit dem Gespann wird man an jeder Tanke angesprochen.
ver.di PUBLIK | Schlafen Sie im Truck?
Hüttner | Gelegentlich schon, wenn die Strecke zwischen zwei Orten lang ist oder Sonntagsfahrverbot bevorsteht, fahre ich so weit ich komme und lege mich dort aufs Ohr. In der Zugmaschine sind zwei recht bequeme Betten, und der Espresso-Kocher fehlt natürlich auch nicht.
ver.di PUBLIK | Geht's nach dem Feierabend-Bier wieder auf die Autobahn?
Hüttner | Dann wäre das doch kein Feierabend-Bier! Meistens bleiben wir abends in den Städten und gehen gemeinsam essen. Wenn wir weiter müssen, holen wir das nach.
ver.di PUBLIK | Halten Sie eigentlich die gesetzlichen Lenkzeiten ein?
Hüttner | Klar, Ruhezeiten sind doch Sozialvorschriften zum Schutz der Fahrer. Gerade wenn man für die Gewerkschaften unterwegs ist, sollte man Vorbild sein.
INTERVIEW: PE