Ausgabe 08/2007
Seitenwechsel
Josef Neumann, 46, Geschäftsführer der Lebenshilfe-Werkstatt für Behinderte in Solingen
Mein Arbeitstag beginnt morgens in einer unserer Betriebsstätten oder bei einem Kunden, bevor ich ins Büro gehe. Ich bin dann unterwegs, um neue Aufträge für die Behindertenwerkstatt zu akquirieren, oder sitze bei der Arbeitsagentur, um Gelder einzuwerben. Wenn ein Betriebsteil den Auftrag bekommen hat, Paletten zu packen, organisiere ich den Ablauf. Oft gehe ich einfach nur durch die Betriebsstätten, um zu schauen, ob alle zufrieden sind.
Unsere Werkstatt hat rund 600 Beschäftigte. Mein Ziel ist, für viele behinderte Menschen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze zu schaffen. Behinderte haben meist keine vernünftigen Arbeitsverträge, sondern arbeiten für ein Taschengeld in den Werkstätten. Um behinderte Menschen besser zu integrieren, haben wir bei einem großen Solinger Messerhersteller eine Kantine aufgebaut und die städtische Eishalle übernommen. Dort zahlen wir nach Tarif.
Wenn ich es gut organisiere, hat mein Arbeitstag zehn Stunden. Abends bin ich regelmäßig in politische Ausschüsse, den Behindertenbeirat oder zu Fraktionssitzungen eingeladen. Hinzu kommen Wochenendeinsätze. Kürzlich war in unserer Eishalle eine Tierschau, da musste ich eine Katze prämieren. Das mache ich, wenn es nur hilft, unsere Halle auch im Sommer zu vermieten.
Die Liebe zum Betriebsrat
Als ich den Betrieb übernommen habe, war er ziemlich heruntergewirtschaftet. Wir haben erst einmal eine Stärken-Schwächen-Bilanz machen lassen und dann neue Unternehmensstrukturen aufgebaut. Heute geht es der Behindertenwerkstatt sehr gut. Im Moment schaffen wir jedes Jahr 25 bis 35 neue Arbeitsplätze.
Als Geschäftsführer habe ich die Arbeitgeberfunktion übernommen. Dabei war ich vorher Kreisgeschäftsführer der ÖTV, habe also die Seiten gewechselt. Geblieben ist, dass ich die Verantwortung für Arbeitnehmer/innen trage. In unseren Werkstätten bemühe ich mich nicht nur um richtige Arbeitsverträge für die behinderten Mitarbeiter, sondern um eine vernünftige Bezahlung für alle. Anders als die meisten Behinderteneinrichtungen sind wir nicht aus dem Tarifvertrag ausgestiegen, sondern zahlen zum Teil besser, als es im Tarifvertrag steht.
Klar, ich habe manchmal andere Vorstellungen als der Betriebsrat, etwa wenn es um Überstunden geht. Aber ich bemühe mich, dem Betrieb und den Beschäftigten gerecht zu werden. Selbst wenn es Konflikte mit dem Betriebsrat gibt, wir lieben uns auch, das kann man wirklich so sagen.
In der Gewerkschaft bin ich natürlich immer noch, jetzt in ver.di. Als Sprecher der Arbeitnehmer sitze ich im Aufsichtsrat der Stadtwerke Solingen.
Protokoll: Stefan Matysiak