Ausgabe 10/2007
Wenn der Jet am Boden steht
Von Birgit Sperner |Torsten Klein arbeitet seit 1998 am Flughafen
Jahrelang haben sich die Beschäftigten zurückgehalten, um die wirtschaftliche Entwicklung des neuen Zivilflughafens zu fördern. Jetzt wollen auch sie vom Wachstum profitieren
Mit Schwung beginnt Torsten Klein um 5 Uhr 50 seine Frühschicht auf dem Flughafen Hahn. Als erstes holt er sich den Plan mit allen Flügen, die den Tag über abzufertigen sind. Er ist zweimal als "Lademeister" eingeteilt, bevor sein Arbeitstag planmäßig um 14 Uhr enden soll. Torsten Klein arbeitet seit knapp neun Jahren bei der Flughafen-Hahn GmbH, erst als Flugzeugabfertiger und später als Lademeister. "Ich bin von Anfang an dabei", erzählt der 42-jährige Familienvater stolz.
Früher war der Flughafen einer der größten Militärstützpunkte Europas. 1998 wurde er dann für die zivile Luftfahrt freigegeben. Damals hat jeder alles gemacht und häufig wurde auch improvisiert. Das Team war klein, alle haben sich stark mit "ihrem" Flughafen identifiziert. "Da ist man notfalls auch nach Feierabend noch mal rein, wenn noch ein Flieger gekommen ist." Diese Bereitschaft, mehr als seine Pflicht zu tun, hat mit der Zergliederung der Aufgaben jedoch massiv abgenommen.
Wer in der Anfangszeit eingestellt werden wollte, musste eine Reihe von Qualifikationen vorweisen. So war es notwendig, einen handwerklichen Beruf erlernt zu haben, den Lkw-Führerschein zu besitzen und als Feuerwehrmann qualifiziert zu sein. Diejenigen, die einen Arbeitsvertrag erhielten, durchliefen einen zweijährigen Ausbildungsgang zum Flugzeugabfertiger, der mit einer IHK-Prüfung endete.
60 Tonnen Ladung verstauen
Als Lademeister koordiniert Torsten Klein die Dinge, die rund um das Flugzeug passieren, wenn es in der Parkposition steht. Je nachdem, wie begrenzt das Zeitbudget ist, kann das ganz schön hektisch werden. Koffer und andere Ladung müssen raus, neue Gepäckstücke wieder eingeladen werde. Der Tankwagen fährt vor und füllt Kerosin ein, und auch der Wagen mit Getränken und Essen für die Fluggäste wird an Bord gebracht. Heute Mittag ist der Frachter Airbus 300 B4 aus Istanbul eingetroffen; später soll er nach Lissabon weiterfliegen. Wie Perlen auf einer Schnur aufgereiht stehen schon die von der Cargo-Firma gepackten Frachtstücke bereit. Alles muss genau abgemessen und gewogen sein, damit es in die abgerundeten Bäuche der Flugzeuge passt und nicht zu schwer ist. Rund 60 Tonnen fasst dieser Airbus und gehört damit zum Mittelfeld.
Torsten Klein begutachtet die Ladung, erstellt den Frachtplan und nummeriert die Teile; so kann später die richtige Reihenfolge eingehalten werden. Der Airbus 300 hat zwei übereinander liegende Laderäume. Damit er nicht hinten überkippt, schiebt ein Highloader zunächst alles vorne unten hinein, dann füllt er den oberen Frachtraum von vorne nach hinten und die letzten Stücke verschwinden hinten im unteren Teil der Maschine.
Manche Paletten sind sehr schwer und bringen die sieben Flugzeugabfertiger ins Schwitzen. Wenn notwendig, packt jeder mit an, der gerade da ist - egal ob Lademeister, Flugzeugabfertiger oder Besatzungsmitglied. "Es ist meistens so, dass irgendetwas nicht funktioniert, wie geplant", erzählt Torsten Klein. Doch über kurz oder lang findet der erfahrene Lademeister immer einen Weg, um auch riesige Kisten gut zu verstauen.
Beim Beladen von Passagierflugzeugen helfen häufig Leiharbeitnehmer. "Die klotzen ganz schön ran", weiß Torsten Klein. Die Laderäume unter den Reisekabinen sind fast immer so niedrig, dass man dort nicht aufrecht stehen kann. Nur auf Knien oder in gebückter Haltung können die Arbeiter die Koffer und Taschen stapeln. "Diese körperlich schwere Arbeit führt auf Dauer zu erheblichen orthopädischen Problemen", berichtet Otto Haude, Vorsitzender des Betriebsrats und zuständig für Arbeitssicherheit auf dem Flughafen.
ver.di verhinderte Gründung einer Tochterfirma
Viele setzen große Hoffnungen in die Tarifverhandlungen, die ver.di mit der Geschäftsleitung der Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH führt. Dabei geht es unter anderem um die Entgeltgruppen. Mit einem Teilabschluss wurde bereits erreicht, dass die von der Geschäftsführung geplante Gründung einer Tochtergesellschaft vom Tisch ist. Die hätte für einen Teil der Beschäftigten bedeutet, wesentlich weniger zu verdienen als wenn sie bei Flughafen Frankfurt-Hahn GmbH angestellt sind.
Torsten Klein hofft, dass er bald wieder eine Gehaltserhöhung bekommt. Deshalb hat er während der laufenden Tarifverhandlungen einen Mitgliedsausweis bei ver.di beantragt. Jahrelang hatten er und seine Kollegen sich mit ihren Forderungen in Zurückhaltung geübt, damit die wirtschaftliche Entwicklung des Flughafens schnell voran schreiten konnte. Jetzt ist es aber an der Zeit, dass auch die Beschäftigten wieder vom Wachstum profitieren, ist er überzeugt.
Torsten Klein will für die hohe Verantwortung, die er trägt, auch entsprechend entlohnt werden. Um das für sich und seine Kollegen durchzusetzen, ist eine starke Gewerkschaftsposition vonnöten. Und die gibt es nur, wenn möglichst viele ver.di-Mitglieder im Betrieb sind.
Eigentlich hatte der Lademeister heute um 14 Uhr Feierabend. Doch der Airbus 300 B4 ist deutlich später gestartet als geplant - und so muss auch Torsten Klein eine Weile länger bleiben. Erst wenn er seinen Bericht über die heutige Fracht verfasst hat, kann er zu seiner Familie nach Hause fahren.
Schau doch mal rein!
ver.di-Geschäftstelle Flughafen Hahn
Gebäude 669, Zimmer 309-310
55483 Hahn-Flughafen
Öffnungszeiten: dienstags von 11 bis 15 Uhr, donnerstags von 17 bis 20 Uhr .
Dienstags sind die Gewerkschaftssekretärinnen und -sekretäre, die die Beschäftigten auf dem Flughafen Frankfurt-Hahn betreuen, für Dich da. Donnerstags empfangen Dich die Kolleginnen und Kollegen des ver.di-Ortsvereins Rhein-Hunsrück-Kreis.