Bürgerentscheid gegen Privatisierung kommunaler Unternehmen in Leipzig durchgesetzt

Übergabe der Unterschriften an Leipzigs Oberbürgermeister Jung

VON BERNHARD KRABIELL

Die Sprecher der Initiative "Stoppt den Ausverkauf unserer Stadt" übergaben am 6. November dem Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) 4654 Listen mit rund 42000 Unterschriften. Für den Bürgerentscheid zum Erhalt von Unternehmen und Einrichtungen der Daseinsvorsorge in kommunaler Hand unterzeichneten etwa doppelt so viele Stimmberechtigte wie nach der Gemeindeordnung notwendig sind.

Die Stadt- und die Wasserwerke, die Verkehrsbetriebe, die Wohnungsgesellschaft, die Stadtreinigung und das Städtische Klinikum St. Georg waren in den letzten drei Jahren immer wieder zum Objekt von Privatisierungsbegierden verschiedener Fraktionen im Stadtrat geworden.

Weg mit der Drohkulisse

"Ein wichtiger Schritt ist geschafft. Da es an der Gültigkeit und dem Erfolg des Bürgerbegehrens keine Zweifel gibt, werden die Leipziger zum ersten Mal direkt über ihr Eigentum abstimmen können", sagt Wolfgang Franke, Sprecher der Initiative. Der Diplomingenieur, Betriebsrat und IG Metaller arbeitet seit anderthalb Jahren in der von Attac, ver.di, dem Mieterverein und verschiedenen Stadträten gebildeten Anti-Privatisierungs-Initiative Leipzig mit.

Bürgervereine und Umweltgruppen, die Linke und die Bündnisgrünen haben ebenso wie Aktive aus den betroffenen Betrieben für den Erfolg des Bürgerbegehrens gesorgt. So hatten Beschäftigte der Stadtreinigung rund 3500 Unterschriften in ihren Familien, bei Nachbarn und Freunden gesammelt. "Es wird wieder einmal geprüft, ob unser Betrieb privatisiert werden kann. Für die Mehrheit unserer Kollegen wäre das der Absturz in den Niedriglohnbereich", fasst Hans-Jörg Barthel für die ver.di-Vertrauensleute die Stimmung in der Belegschaft zusammen. Sie wollen, dass endlich Schluss ist mit den ständigen Privatisierungsdrohungen.

Aktuell steht der Verkauf von 49,9 Prozent der Stadtwerke zur Debatte. Der Oberbürgermeister favorisiert den mehrheitlich in der Hand des französischen Staates befindlichen Konzern Gaz de France, der 520 Millionen Euro geboten hat. Noch mit im Rennen sind die ebenfalls international agierenden Konzerne Electrabel, EnBW und Veolia.

Demokratische Beteiligung durchsetzen

ver.di sicherte bereits vor Wochen für die Beschäftigten der Stadtwerke Kündigungsschutz, Qualifikationssicherung und Tarifbindung für den Fall des Verkaufs tarifvertraglich ab. Für die Beschäftigten der Verkehrsbetriebe und der Wasserwerke sollen bei einem Anteilsverkauf der kommunalen Holding LVV ebenfalls tarifvertragliche Sicherungen greifen. "Für die betroffenen Belegschaften haben wir damit eine Auffanglinie festgezogen", sagt Ines Jahn für den ver.di-Bezirk. An der grundsätzlichen Ablehnung des Verkaufs habe sich aber nichts geändert. "Der Renditedruck auf die Stadtwerke wird erhöht und die langfristige Quersubventionierung des Nahverkehrs ist aus unserer Sicht nicht garantiert, wenn die Hälfte der Gewinne abfließt."

Auch die nachhaltige Entschuldung des kommunalen Haushalts durch die Privatisierung müsse bezweifelt werden. "Das strukturelle Defizit des Haushalts, vor allem durch die Sozialausgaben für die Empfänger von Alg II und Niedriglöhnen, die aufstockende Hilfen brauchen, bleibt bestehen." Am 27. Januar werden die Bürgerinnen und Bürger Leipzigs nun voraussichtlich über den Verkauf entscheiden können. Soll ein Privatisierungsstopp durchgesetzt werden, muss die Mehrheit, aber mindestens 25 Prozent der Wahlberechtigten, das sind immerhin 100000 Leute, mit Ja stimmen.

"Es ist eine schwere Aufgabe - aber die Anstrengung lohnt sich in jedem Fall. Viele haben uns in den letzten Wochen gesagt, dass wir eine wirklich demokratische Beteiligung nur so durchsetzen können", sagt Franke.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das erste Jahr unseres gemeinsamen Landesbezirks geht zu Ende. Es war arbeitsreich und oft nervenaufreibend, aber angesichts unserer Problemlagen durchaus erfolgreich. Den organisatorischen Aufbau kann man als abgeschlossen betrachten. Wir haben uns auf einen Leitfaden geeinigt, der Schritt für Schritt zur Grundlage unserer Zusammenarbeit wird. Der Prozess der Integration ist auf einem guten Weg. Daran arbeiten wir weiter intensiv.

Für das vor uns liegende Jahr sollten wir uns von diesen positiven Erfahrungen tragen lassen. Die anstehenden Aufgaben sind vielfältig und anspruchsvoll. Die Gewinnung neuer Mitglieder ist unser entscheidender Schwerpunkt. Die Austrittszahlen sind in den letzten Monaten zwar zurückgegangen, aber die Zahl der Eintritte ist nach wie vor viel zu niedrig. Deshalb werden wir vor allem systematisch auf die Gewinnung von Neumitgliedern hinarbeiten. Der Landesbezirksvorstand hat als Ziel eine Eintrittsquote von fünf Prozent beschlossen.

Auch inhaltlich stehen wir vor großen Herausforderungen. Obwohl die CDU nach zähem Ringen bereit war, bei einem Mindestlohn für die Postdienste nachzugeben, können wir uns bei der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn nicht zurücklehnen. Andere Branchen müssen folgen. Ich denke da auch an Zeitarbeit und den Handel. Die Auswirkungen eines fehlenden Mindestlohns sind deutlich spürbar im erhöhten Druck auf unsere Tarifpolitik. Das bekommen die Kolleg/innen im Einzelhandel schon seit Monaten zu spüren - ihre Arbeitgeber wollen nur im Gegenzug für die Streichung aller Zuschläge über Einkommenserhöhungen verhandeln.

Auch mit der Tarifrunde 2008 in unserem größten Tarifbereich, dem öffentlichen Dienst, steht ein harter Kampf bevor. Die Arbeitgeberverbände stellen gar die bereits 2003 tarifvertraglich vereinbarte Angleichung der Ostgehälter an das Westniveau in Frage und machen in diesem Zusammenhang ein übles Erpressungsszenario auf. Hier wird überdeutlich: Tariffragen sind Machtfragen. Wir werden nur das bekommen, was wir uns erkämpfen. Wenn Nichtmitglieder meinen, sie könnten nach wie vor einfach Trittbrett fahrend von unseren Tarifabschlüssen profitieren, dann ist das ein gefährlicher Trugschluss. Durchsetzungskraft hat mit Mitgliederstärke und Arbeitskampfbereitschaft zu tun. Das wird 2008 deutlicher denn je sichtbar werden.

Im kommenden Jahr wird sich erweisen: Die Stärken von ver.di entfalten sich voll, wenn wir fest zusammenstehen. Der Anfang ist gemacht. Lasst uns weiter daran arbeiten. Dann werden wir die Herausforderungen gut bestehen und mehr erreichen, als wir uns zurzeit zutrauen.

Thomas Voss, Landesbezirksleiter