Nach der Tätigkeit als Politiker mal eben die Seite wechseln und Lobbyist für die Wirtschaft werden - für die meisten kein Problem. Der Verein LobbyControl fordert Transparenz und ein Lobbyisten-Register

Immer mal wieder flackert die Empörung in der Öffentlichkeit auf, dann wird es wieder still um sie - ganz so, wie sie es brauchen: die Lobbyisten. Einer hat sie kürzlich wieder in die Schlagzeilen gebracht, der Ex-Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und ehemalige Superminister für Wirtschaft und Arbeit der rot-grünen Schröder-Regierung, Wolfgang Clement (SPD).

Heute ist der Mann ein viel beschäftigter "Privatier", wie er sich selbst bezeichnet, unter anderem als Aufsichtsratsmitglied des Energieriesen RWE. Und nur wenige Tage vor den hessischen Landtagswahlen ließ er die verdutzte Öffentlichkeit wissen, seine Parteigenossin, SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, sei für ihn nicht wählbar. Sie wolle Atom- und Kohlekraftwerke perspektivisch durch erneuerbare Energieträger ersetzen. Wieder einmal flackerte Empörung auf. Die Genossen sprachen von Parteiausschluss, dann folgten sachtere Töne, bis es schließlich wieder still war.

Die Einflussnahme der Lobbyisten auf die Politik, auf politische Entscheidungen und Gesetzgebungen regelmäßig in die öffentliche Kritik zu bringen, sie zu kontrollieren und zu begrenzen, das hat sich der Verein "LobbyControl - Initiative für Transparenz und Demokratie" zum Ziel gesetzt. "Lobbyisten arbeiten in Ministerien mit, Arbeitgeberkampagnen wie die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft geben sich als bürgernahe Reformbewegungen, Abgeordnete bekommen dubiose Nebeneinkünfte - navigieren Sie mit uns durch die Grauzonen der Politik!", lädt der Verein auf seiner Webseite zur Informationstour ein.

Die vielfach gefühlte Einseitigkeit

Und da findet sich manch aufschlussreiche Recherche. Eine Studie über den rührigen "Konvent für Deutschland" etwa, dessen meist hochrangigen Mitglieder aus Wirtschaft und Politik vor allem an der Durchsetzung des "schlanken Wettbewerbsstaats" gelegen ist. Es gibt umfangreiches Material über den ausgeprägten Lobbyismus in Brüssel. Und auch mit der Sendung Sabine Christiansen haben sich die Streiter/innen für demokratische Kontrolle befasst. Ergebnis: "Unsere Untersuchung konnte die am Fernseher vielfach gefühlte Einseitigkeit der Christiansenschen Einladepolitik an vielen Punkten bestätigen: Die Gästeliste zeigt ein deutliches Übergewicht von Arbeitgebervertretern gegenüber Gewerkschaftern."

Hervorgegangen ist LobbyControl zunächst als loses Netzwerk aus dem Kongress "Gesteuerte Demokratie?", der unter Beteiligung von rund 180 Freund/-innen demokratischer Transparenz und Kontrolle 2004 in Frankfurt am Main stattgefunden hatte. Kernthema des Kongresses: der Einfluss neoliberaler und wirtschaftlicher Eliten auf Politik und Öffentlichkeit. Das lose Netzwerk hielt und wurde fester, ab Mai 2005 mit einem eigenen Weblog und seit Anfang 2006 als gemeinnütziger Verein. Finanziert wird der nach wie vor großteils von der Bewegungsstiftung, die soziale Bewegungen für Demokratie, Frieden, Ökologie und soziale Gerechtigkeit fördert. Mittlerweile hat auch die Zahl der Einzelspender und -sponsoren zugenommen. Zwei der vier Vorstandsmitglieder sind inzwischen hauptamtlich tätig.

"Eine Organisation unseres Zuschnitts gab es einfach noch nicht", sagt Ulrich Müller, einer der zwei hauptamtlichen Vorstandsmitglieder. Zwar gebe es Überschneidungen mit anderen Initiativen wie etwa "Transparency International", die sich auf das Thema Korruption konzentriert, aber der Ansatz von LobbyControl sei weiter gefasst. Auch, so Müller weiter, wolle LobbyControl nicht nur Recherchen anstoßen, sondern stelle sie selbst an. Erst Ende letzten Jahres hat der Verein eine neue Studie zum Thema Politik und Lobbyismus vorgelegt, unter der einfachen Frage: "Welche Tätigkeiten üben die ehemaligen Regierungsmitglieder des rot-grünen Kabinetts, inklusive Staatssekretäre, heute aus?"

Und da ist er wieder, der Privatier aus NRW, Wolfgang Clement. Der Mann, der als Politiker maßgeblich an den rot-grünen Operationen des Arbeitsmarktes mitwirkte, so auch an der Änderung des Arbeitnehmer-Überlassungsgesetzes, sprich der Aufhebung der zeitlichen Befristung der Leiharbeit. Aus seiner Position als Chef des Bundeswirtschaftsministeriums wechselte er "nicht einmal ein Jahr nach Ende der rot-grünen Koalition in den Aufsichtsrat der Zeitarbeitsfirma Deutsche Industrie Service AG (DIS AG). Als diese vom schweizerischen Konkurrenten Adecco übernommen worden war, wurde er zum Vorsitzenden der firmeneigenen Denkfabrik berufen", beschreiben Heidi Klein von LobbyControl, und Co-Autor Tillmann Höntzsch, wie Clement auch als Privatier der Leiharbeit verbunden bleibt.

Der Drehtüreffekt

Auch ein anderer bleibt nach dem Ende der rotgrünen Regierung bei seinem Thema: Matthias Berninger, als grüner Staatssekretär im Ministerium für Verbraucherschutz seinerzeit auch für das Problem "globale Übergewichtsepidemie" zuständig, geht seit Anfang letzten Jahres seiner Arbeit bei dem US-Süßwarenkonzern "Mars" nach, in dessen Europazentrale zuständig für Gesundheits- und Ernährungsfragen. Und so heißt die Studie auch folgerichtig: "Fliegende Wechsel - die Drehtür kreist".

Um diese Drehtür zu bremsen, fordert LobbyControl "eine dreijährige Karenzzeit (Abkühlphase), während der ehemalige Regierungsmitglieder keine Lobby-Tätigkeit ausüben dürfen; ein unabhängiges Kontrollgremium zur Kontrolle und Überwachung von Streitfällen; ein Lobbyisten-Register, in dem Lobbyisten ihre Auftraggeber und Kunden, ihre Finanzquellen und Budgets sowie die Themen ihrer Lobbyarbeit offen legen müssen." Bislang allerdings ist das in weiter Ferne. Damit Bewegung in den Stillstand kommt, brauche es "eine breite Demokratiebewegung und massiven öffentlichen Druck", so LobbyControl, auch ein "rechtlicher Regulierungsrahmen" allein helfe nicht. Die Praxis sieht so aus: Parlamentarische Initiativen der Oppositionsparteien wurden in den Innenausschuss abgeschoben - passiert ist nichts.

www.lobbycontrol.de