Ausgabe 01/2008-02
Wie wollen wir zusammenleben?
Die Broschüre kann man sich auch ausdrucken unter www.hessen.verdi.de oder beim Landesbezirk bestellen
Der Unterschied zu landläufigen Wurfsendungen fällt auf den ersten Blick ins Auge: Hier will keiner lachend ein Produkt verkaufen. In der neuesten Broschüre von ver.di Hessen stehen Menschen für Probleme, von denen zunehmend Menschen in allen Kommunen Deutschlands in ihrer Existenz betroffen sind. Ihr passender Titel: "Daseinsfürsorge - Betrifft Dich und Mich."
Mit dem Begriff Dasein haben sich Generationen von Philosophen auseinandergesetzt. Immer verstanden sie darunter mehr als nur Existieren, sondern sie suchten nach Möglichkeiten, bewusst Einfluss zu nehmen auf das Dasein der Menschen. "Wer aber auf das Glücklichsein verzichtet, erfüllt sein Dasein nicht!", schrieb Herbert Marcuse. Der Rahmen ist somit weit gesteckt. ver.di wäre aber keine Gewerkschaft, würde sie es beim Philosophieren belassen. Und der Untertitel "Öffentlich ist wesentlich" deutet an, dass ver.di unter Daseinsvorsorge mehr versteht als sozialstaatliche Fürsorge - nämlich die gesellschaftliche Grundlage des Zusammenlebens.
Der Zeitgeist sagt, alles ist ein Produkt für den Markt, alles muss sich kurzfristig rechnen, haste was, kriegste was, von Privat an Privat. Dem stellt ver.di die Konzeption eines öffentlichen Sektors entgegen, der einen gleichberechtigten und kostengünstigen Zugang zu den Lebensgrundlagen ermöglicht. Das bedeutet mehr als die gemeinschaftliche Absicherung der großen Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Alter. Es geht auch um die Lebensbedingungen, zu denen bezahlbarer Wohnraum ebenso zählt wie der Zugang zu Bildung und Kultur, das Menschenrecht auf Wasser und Energie ebenso wie die gute Qualität der Gesundheitsversorgung; dazu gehört der öffentliche Nahverkehr ebenso wie der gesellschaftliche Austausch durch ein enges Netz von elektronischer oder "gelber" Kommunikation. Die Sparkasse um die Ecke trägt das ihre zur Absicherung dieses sozialen Fundaments bei. ver.di Hessen benennt aus der Vielzahl seiner Fachbereiche die gesellschaftlichen Leistungen, die dringend nötig sind. Mit ihnen werden die allgemeinen Voraussetzungen fürs Glücklichsein im individuellen Dasein geschaffen.
Das genaue Szenario
Dieser öffentliche Sektor wird aber nur Glanz ausstrahlen, wenn ausreichende materielle Ressourcen vorhanden sind und der "Privatisierungswahn" gestoppt wird, weil er Sozietät und Demokratie einschränkt. ver.di Hessen hat ein detailliertes Szenario entwickelt, welche Leistungen öffentlich bereitgestellt werden müssten. Aber auch qualifizierte und gut motivierte Beschäftigte sind Voraussetzung.
Das alles spielt in der laufenden Tarifbewegung im öffentlichen Dienst eine wichtige Rolle. Alle angeführten Bereiche stehen in Auseinandersetzung um Einkommens- und Arbeitsbedingungen: "So müssen die Beschäftigten beim Land und in den Kommunen mehr Chancen zur Entwicklung ihrer Qualifikation erhalten und im Tarifsystem des öffentlichen Dienstes angemessen bezahlt werden." Die Rückkehr von Hessen in die Tarifgemeinschaft der Länder ist hier ebenso gefordert wie der Stopp des Personalabbaus und die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze. Nicht zu unterschätzen sind die Gehaltsforderungen und die Regelungen zur Arbeitszeit, wie sie von ver.di in die gegenwärtige Runde gebracht wurden. Mit ihrer inakzeptablen Reaktion haben die öffentlichen Arbeitgeber sich bisher weder als zukunfts- noch als gesellschaftsfähig erwiesen.
ver.di Hessen fordert
- die Rückkehr der Landesregierung in die politische Verantwortung für die Gestaltung der Lebensbedingungen im Land und in den Kommunen
- den Stopp des Personalabbaus beim Land Hessen
- zusätzliche Ausbildungsplätze, um den hohen Standard der Dienstleistungen durch qualifizierten Nachwuchs zu sichern
- die Rückkehr des Landes in die "Tarifgemeinschaft deutscher Länder" (TdL)
- die Einführung eines einheitlichen und durchlässigen Schulsystems, das vielfältige Bildungschancen für alle ermöglicht und Ausgrenzung verhindert
- die gesetzliche Ausbildungsabgabe
- den Erhalt des Sonntags als Tag der Arbeitsruhe und die Bekräftigung des Sonn- und Feiertagsschutzes
- Anerkennung der Tarifverträge und der Tarifautonomie
- Aufgabe der Privatisierung in all ihren Spielarten