Ausgabe 03/2008
Der Streik ist weiblich
Von Renate Bastian |Warnstreiks in höchsten Tönen: Rund 700 Beschäftigte beleben die Straßen Marburgs
13200 Beschäftigte streiken eine Woche lang in Hessen
Von Renate Bastian
Im Zuge der Aktionswoche vom 18. bis zum 22. Februar gab es in Hessen einige Überraschungen. Zwar versuchten die Arbeitgeber wie gewohnt, die Beschäftigten mit unterschiedlichsten Druckmitteln von der Beteiligung an den Warnstreiks abzuhalten. Das ist nicht neu, klappte diesmal aber eher schlecht. Es beteiligten sich viel mehr Beschäftigte als zuvor erwartet. Wohltuend wirkte auf die Streikenden auch, dass die Bevölkerung großes Verständnis zeigte für die Forderungen der öffentlich Beschäftigten: acht Prozent mehr Entgelt, mindestens aber 200 Euro, 120 Euro mehr für die Ausbildung. Erfreut durfte man in einigen Städten auch eine verstärkte Streikbeteiligung von Auszubildenden und Praktikanten registrieren. Und: Die Streiks im öffentlichen Dienst bekommen deutlich weibliche Züge. Denn vielerorts schlossen die Erzieherinnen die Tagesstätten, auch Pflegepersonal aus den Kliniken demonstrierte in der Stadt. Deshalb klangen auch die Sprechchöre und Streiklieder eine Terz höher auf der Tonleiter.
In den regionalen Zentren gab es stattliche Kundgebungen. Was die Durchsetzung zusätzlich stärkt: ver.di gewinnt durch die Präsenz auf den Straßen neue Mitglieder. Nicht überall geht es allerdings so rasant wie bei den Kliniken in Frankfurt-Höchst mit 100 Neueintritten. Manchem Bürger wurde in dieser Woche klar, wie breit gefächert der öffentliche Dienst ist, manche Bürgerin staunte, welche Stellen auch mal nicht zu Diensten stehen und wie weit die Konsequenzen reichen. Im schweizerischen Winterthur zum Beispiel bangte man um eine Theatervorstellung. Grund: Die Aufbauarbeiten für ein Gastspiel der Städtischen Bühnen Franfurt wurden bestreikt.
Gießen für saubere Löhne in den Kommunen
Chronik der Warnstreiks
Donnerstag, 14. Februar: In Nordhessen, Kassel, Wetzlar, Fulda, in Frankfurt, Hanau, Darmstadt und Wiesbaden streiken 4000 Beschäftigte aus Kliniken und sozialen Diensten.
Montag, 18. Februar: 600 Beschäftigte im kommunalen Bereich beteiligen sich am Streik und der Demonstration durch die Innenstadt in Gießen.
Dienstag, 19. Februar: 700 Streikende in Marburg bei der Stadtverwaltung, den Stadtwerken, den Kindertagesstätten und den Sparkassen. Die private Müllabfuhr kann nicht arbeiten, weil die Mülldeponie geschlossen bleibt. Busfahrer solidarisieren sich. In Hanau (allein hier streiken 800 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes), Maintaunus, Hochtaunus und in der Wetterau lahmen die Stadt- und Landkreisverwaltung, die Entsorgung, der Nahverkehr. Kindertagesstätten und Grünflächenämter öffnen nicht oder nur teilweise. Sparkassen sind betroffen.
Mittwoch, 20. Februar: 200 in Wetzlar und 700 in Offenbach legen bei der Stadtverwaltung und bei den Stadtwerken die Arbeit nieder. Dietzenbach beteiligt sich. Im Landkreis Offenbach wird der Wetterdienst bestreikt.
Donnerstag, 21. Februar: Bei den Stadtverwaltungen und kommunalen Dienststellen streiken: 100 Beschäftigte in Dillenburg, 700 in Wiesbaden, 300 in Gelnhausen, 1800 in Frankfurt. In Herborn werden an diesem Tag kaum Kraftfahrzeuge zugelassen. In Limburg-Weilburg und im Rheingau-Taunus arbeiten die Dienststellen des Bundes nur eingeschränkt. In der Frankfurter Oper fehlt das Bühnenbild, weil die Beschäftigten der Städtischen Bühnen streiken.
Freitag, 22. Februar: Dies ist der Tag des öffentlichen Nahverkehrs. Es streiken in Frankfurt die VGF, in Kassel die KVG, in Wiesbaden die OVB. Hinzu kommen die Abfallwirtschaft in Wiesbaden, die Stadtreinigung in Kassel, dort auch die Kindertagesstätten, das Landratsamt, der Landeswohlfahrtsverband, die Sparkassen und das Umwelt- und Gartenamt. Zum Abschluss treffen sich 2500 Streikende auf dem Opernplatz in Kassel.