Michael Schlecht ist Leiter der wirtschaftspolitischen Abteilung beim ver.di-Vorstand

"Das ist jenseits dessen, was ich mir habe vorstellen können," sagt die Kanzlerin. Tatsächlich? Seit Jahrzehnten ist klar: Reiche hinterziehen massenhaft Steuern. 300 bis 400 Milliarden Euro wurden verschoben. Zum größten Teil in die Steueroasen Liechtenstein und Schweiz. Gier und Geiz hat viele gepackt. Viele Reiche leben in einer abgehobenen Parallelwelt. Sie sind den Alltagsnöten der Menschen entrückt. Dass sie auch Teil unseres Gemeinwesens sind und gesellschaftliche Verantwortung tragen, erscheint ihnen als versponnene Reflexion.

"Der Aufschwung kommt bei den Menschen an", erzählt uns die Kanzlerin. 80 Prozent der Menschen fühlen sich vergackeiert - bei ihnen kommt Null-Komma-Nichts an. Es ist vor allem ein Aufschwung für die Reichen und Superreichen, die den Hals offensichtlich nie voll bekommen. Diese maßlose Gier macht die breite Empörung aus. Und deshalb muss gegengesteuert werden. Zum Beispiel durch die Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent für Einkommen oberhalb von 60000 Euro. Und für Einkommen oberhalb von zwei Millionen auf 80 Prozent. Dies bringt Steuermilliarden für die Erziehung unserer Kinder, für die sie besser angelegt sind als auf Konten in Liechtenstein.

Angst vor Entdeckung bei Steuerhinterziehung brauchen Reiche aber bisher kaum zu haben. Kohl, Schröder und Merkel haben auf wirksame Kontrollen stets verzichtet. Die Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Steueroasen wurde schlicht geduldet. Spanien und Portugal wollten im Januar den Schengen-Beitritt von Liechtenstein blockieren bis zur Unterzeichnung eines Abkommens zur Betrugsbekämpfung. Doch die Bundesregierung sprang der Steueroase zur Seite. Die USA hingegen verlangen von Banken in Steueroasen Mitteilungen über Einkünfte von US-Bürgern. Politischer Druck macht es eben möglich.

Nach dem jüngsten Skandal droht Bundesfinanzminister Steinbrück jetzt mit Sanktionen. Es bleibt abzuwarten, wie ernsthaft das gemeint ist. Wir brauchen endlich wirksame Kontrollen und genügend Steuerfahnder. Und ernsthaften Druck auf die Steueroasen - auch mit Wirtschaftssanktionen.

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