Jetzt sind wir dran! 8 Prozent - mindestens 200 Euro mehr!

Die Tarifrunde 2008 ist angelaufen. Die Arbeitgeber haben bisher lediglich eine Mogelpackung angeboten, bei "der am Ende die Arbeitnehmer noch Geld mitbringen müssen" (Frank Bsirske in einem Interview). Ein Großkonflikt mit Erzwingungsstreiks scheint unausweichlich. PUBLIK befragte Kolleginnen und Kollegen nach ihren Erwartungen und der Stimmung in den Betrieben.

Rainer Lüthje, 48, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie

Wattwanderer, Freizeit-Skipper, aber auch Kapitäne auf großer Fahrt sind froh, dass sie sich auf seine Zahlen verlassen können. Dank seiner Arbeit wissen sie auf die Minute genau, wann die Flut und Ebbe an Deutschlands Küsten auflaufen. Seit 22 Jahren beschafft, prüft und analysiert der gelernte Vermessungsingenieur alle eingehenden Wasserstandsbeobachtungen. Aus diesen Daten werden die Gezeiten-Vorausberechnungen für die Gezeitentafeln und den Gezeitenkalender erstellt. Die PC-Programme, mit denen er sie berechnet, entwickelt Lüthje selbst. Neben ihm gibt es in Deutschland keinen zweiten, der sich so genau mit Ebbe und Flut auskennt.

Für diesen anspruchsvollen Job bekommt er im gehobenen Dienst gerade mal 3500 Euro brutto, wovon ihm netto 1850 Euro bleiben. Dennoch gab es in den letzten Jahren jede Menge Arbeitsverdichtung und zusätzliche Aufgaben gratis! Seit zwei Jahren ist Kollege Lüthje Dozent für die Ausbildung zum See-Vermessungstechniker. Die Dozententätigkeit hat ihn nach knapp 20 Jahren im gleichen beruflichen Umfeld vor der drohenden Erstarrung in Routine gerettet.

In der Wirtschaft gäbe es für eine vergleichbare Tätigkeit deutlich mehr Geld. Deswegen wäre aus seiner Sicht jeder Abschluss unter fünf Prozent eine Katastrophe. Ohne Arbeitszeitverlängerung - versteht sich! Ihm ist klar, dass er und seine Kolleg/innen für einen vorzeigbaren Abschluss etwas tun müssen, auch wenn in seiner Behörde viele nicht in der Gewerkschaft sind. Mit der Beteiligung am ganztägigen Warnstreik der Wasserschifffahrts- ämter in Brunsbüttel ist ein Anfang gemacht.

Wiebke Lübbert, 42, Erzieherin

1987 hat sie ihre Ausbildung zur Erzieherin an der Fachschule für Sozialpädagogik abgeschlossen. Seither arbeitet sie in der Hamburger Vereinigung für Kindertagesstätten, seit einigen Wochen in der Kita am Grasweg in Winterhude. Dort werden etwa 100 Kinder zwischen acht Monaten und zwölf Jahren von neun Erzieherinnen betreut. Wiebke arbeitet gemeinsam mit einer Kollegin mit den ganz Kleinen in der Kinderkrippe. Für ihre Tätigkeit in Vollzeit bekommt sie brutto 2630 Euro, wovon ihr bei Steuerklasse V netto noch 1195 Euro bleiben.

Die Tätigkeit mit den Kindern macht ihr nach wie vor Spaß. Sie nervt aber, dass betriebswirtschaftliche Kostenargumente immer mehr in den Vordergrund rücken und den ganzheitlichen pädagogischen Ansatz beschädigen. "Immer nur auf die Kosten achten, ständig nach Einsparmöglichkeiten suchen - da bleiben die Interessen der Kinder zunehmend auf der Strecke!"

Die Tarifforderung von acht Prozent hält Wiebke für mehr als gerechtfertigt, da die Vergütungen in den letzten Jahren stagniert hätten und das Einkommen unter dem Strich gesunken sei. Ein Abschluss um die sechs Prozent müsse am Ende herauskommen.

Sascha Wiersch, 26, Jugendbibliothek hoeb4u in Altona

Sascha hat eine Ausbildung zum Fachangestellten für Medien und Informationsdienste gemacht. Wenn man zu ihm will, muss man sich an einem riesigen Drachen vorbei quetschen, dessen Bauch mit Abenteuer- und Fantasy-Geschichten gefüllt ist. Zwischen Regalen mit Büchern, Spielen und CDs für Kids von 14 bis 24 gelangt man über eine rote Eisentreppe in die Büroräume, wo Sascha gerade am PC sitzt. Der Verleih von Büchern, Computerspielen, Hörspielen und anderen Medien an Jugendliche macht im Kern seinen Job aus. Dazu kommen die Katalogisierung, Recherchen bei Anfragen und - zusammen mit seiner Chefin - die Erarbeitung von Empfehlungen für den Einkauf von Kinder- und Jugendliteratur an die anderen Bücherhallen. Für seinen Job bekommt Sascha 1800 Euro brutto, wovon ihm knapp 1200 Euro zum Leben bleiben.

Die Jugendbibliothek Altona ist als "Juniorfirma" konzipiert und wird überwiegend von den Auszubildenden der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) geführt. Um deren Belange kümmert sich Sascha besonders: als Ausbilder in der Filiale, als Mitglied im Betriebsrat und im Landesbezirksjugendvorstand von ver.di. Gewerkschaft gilt eher als "uncool" - aber Saschas Engagement finden die Auszubildenden "ganz ok"! "Wir tasten uns allmählich heran", antwortet er auf die Frage, ob die HÖB-Beschäftigten bei den Warnstreiks mitmachen werden. "Wir mobilisieren für den großen Warnstreiktag Anfang März. Ich bin gespannt, wie viele da mitmachen werden!" Hilfreich sei, dass die Arbeitgeber eine Verlängerung der Arbeitszeit durchsetzen wollen. Das empöre die Kolleg/innen, weil die Arbeitsbelastung aufgrund der Arbeitsverdichtung und der dünnen Personaldecke sehr hoch sei. Noch länger arbeiten sei eine Zumutung.

texte/fotos: j.-d. bischke-pergande


Zur Durchsetzung der ver.di-Forderungen laufen seit 14. Februar Protestaktionen und Warnstreiks

Den Auftakt machten die Beschäftigten von Hamburgs Krankenhäusern. Mehrere Hundert Angestellte zogen durch die City zur Kundgebung auf den Gänsemarkt.

Am 21. Februar beteiligten sich knapp 1000 Beschäftigte der Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten an den Warnstreiks vorm Sitz des Arbeitgeberverbandes AVH.

Mehr als 100 Fahrzeuge der Stadtreinigung verstopften am Morgen des 22. Februars den Bypass der Ost-West-Straße an der Hafenkante. Mit ihnen kamen 1000 Beschäftigte der Stadtreinigung zur Warnstreikversammlung zum Sitz des AVH.