Ausgabe 03/2008
Michael Stolz
Michael Stolz
Ich drehe das Rad
Michael Stolz (48) ist Croupier und arbeitet in der Spielbank Bad Homburg
Neues Spiel, neues Glück. Ich drehe das Rouletterad und werfe gleichzeitig die Kugel gegen die Drehrichtung in den Kessel. Ein paar Sekunden, die Kugel rollt, noch hat sie sich nicht vom Kesselrand gelöst, noch ist sie in keins der 37 Nummernfächer gefallen, höchste Zeit für die letzten Einsätze - und Schluss: "Nichts geht mehr." Nach 29 Berufsjahren habe ich den richtigen Zeitpunkt im Gefühl, auch ohne auf den Roulettekessel zu schauen. "20, schwarz". Mit dem Rateau, dem Rechen, ziehe ich die verlorenen Jetons ein, dann zahle ich die Einsätze aus.
Ein Spiel dauert nicht mehr als ein, zwei Minuten und erfordert die ganze Konzentration. Die Croupiers müssen sich auch an einem vollen Tisch mit 100 oder 200 Jetons merken, welcher Gast auf welche Zahl gesetzt hat und blitzschnell den Gewinn errechnen. Seitdem über jedem Roulettetisch eine Kamera hängt, arbeite ich jedoch mit größerer Gelassenheit.
Die Taschen sind zugenäht
Croupiers sind korrekt wie Buchhalter, tadellos gekleidet wie Chefportiers und haben das Auftreten eines Hotelmanagers. Verschwiegen, stressresistent, höflich und distanziert, das sind die Grundtugenden. Selbstverständlich sind die Taschen meines Jacketts zugenäht. Damit kein Jeton versehentlich hineinrutscht. Das wäre meine sichere Entlassung. Ich selbst spiele höchstens einmal im Jahr, um nachzuempfinden, wie sich der Gast fühlt, wenn der Puls steigt und die Hände schwitzen. Ein Zocker bin ich nicht.
Bereut habe ich es noch nie, nach meiner Ausbildung zum Bankkaufmann Croupier geworden zu sein. Das ist ein wunderbarer Beruf. Das Ambiente ist angenehm, mein Geist läuft auf Hochtouren und ich kann hier bis zur Rente arbeiten. Selbst die Arbeitszeiten stecke ich locker weg. Feierabend ist oft erst um vier Uhr morgens. Das Einzige, was sich verschlechtert, ist unser Verdienst. Das gesamte Personal wird aus den Trinkgeldern für die Croupiers bezahlt. Und die fließen spärlicher. Zum Glück gibt es einen Haustarifvertrag mit einem Garantiegehalt zwischen Spielbank und ver.di.
Protokoll: Michaela Böhm