Ausgabe 04/2008
Koalition im Privatisierungswahn
Wird Tafelsilber verscherbelt?
Das Land Niedersachsen will Tafelsilber verscherbeln und plant den Ausverkauf der Unternehmen in öffentlicher Hand
Ob Deutsche Messe AG, Flughafen Hannover oder Nord/LB: Die Koalition von CDU und FDP macht vor keinem noch so gesunden Unternehmen Halt. "CDU und FDP befinden sich im Privatisierungswahn", kritisiert ver.di-Landesleiter Siegfried Sauer den Kniefall der CDU vor den Liberalen.
Die schwarz-gelbe Landesregierung wolle mit den Rezepten des letzten Jahrhunderts die anstehenden Probleme von morgen lösen. Doch Privatisierung sei "out", gute öffentliche Dienstleistungen dagegen "in", sagt Sauer. Sollten sich CDU und FDP mit ihrer Politik von gestern durchsetzen, müssten sich die Bürger auf schlechtere und teurere Dienstleistungen einrichten. Der ver.di-Landesleiter kündigte an, dass der Versuch weiterer Privatisierungen in Niedersachsen auf den Widerstand der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaft stoßen werde.
In der Koalitionsvereinbarung ist enthalten, dass CDU und FDP sich von Landesanteilen zum Beispiel bei der Nord/ LB, dem Flughafen Hannover und der Messe AG trennen wollen und dabei für "neue Partner" offen sind. "Doch wer offen für neue Partner ist, ist auch offen für Heuschrecken. Die Landesregierung würde Gestaltungsmöglichkeiten verspielen und den Wirtschaftsstandort Niedersachsen von privaten Interessen abhängig machen", kritisierte Sauer. Gegen einen möglichen Anteilsverkauf der Nord/LB hatte sich bereits der Niedersächsische Sparkassenverband, der 37,5 Prozent hält, ausgesprochen. An Messe und Flughafen ist auch die Stadt Hannover beteiligt.
Die Kosten steigen, aber die Qualität wird schlechter
Die Koalitionsvereinbarung sieht darüber hinaus eine Reihe von möglichen Privatisierungen vor, zum Beispiel bei den Landesämtern, den Hochschulen, beim Schienenverkehr, der Abfall- und Abwasserwirtschaft oder beim Gerichtsvollzieherwesen. Die Gewerkschafts-position dazu: "ver.di lehnt jede weitere Privatisierung entschieden ab. Die Erfahrungen in anderen Länder haben gezeigt, dass sich die Qualität der Leistungen für die Bürger verschlechtert, die Kosten steigen, sich Entscheidungszeiten verlängern und mit erheblich mehr Widersprüchen von Bürgern gerechnet werden muss."
Eine erst wenige Wochen alte Forsa-Studie belegt, dass der Rückzug des Staates bei öffentlichen Dienstleistungen und die Zunahme der Privatisierungen von immer mehr Menschen skeptisch gesehen werden. Das Meinungsforschungsinstitut hat in einer repräsentativen Studie nachgewiesen, dass die Hälfte der Bürger es schlecht findet, dass private Firmen einen großen Teil ehemaliger staatlicher Aufgaben übernommen haben. Weitere Privatisierungen werden immer kritischer gesehen. Stattdessen wünschen sich immer mehr Bürger, dass der Staat schon privatisierte Leistungen wieder in eigener Regie anbietet.