Ausgabe 05/2008
Nicht nur für Aktionäre buckeln
Von Renate Bastian |Postbeschäftigte streiken mit Erfolg für bessere Einkommen und sichere Arbeitsplätze
Rund 17000 Beschäftigte hat die Post AG in Hessen, ungefähr ein Drittel, arbeitet als Beamte, geschätzte zehn Prozent der Beschäftigten arbeiten befristet. Das Unternehmen wollte die Arbeitszeiten verlängern, Pausen streichen und den Kündigungsschutz auslaufen lassen. ver.di befürchtete deshalb einen massiven Abbau von Arbeitsplätzen. Das wurde verhindert. Denn die Arbeitsbedingungen lassen keine weitere Verdichtung der Tätigkeit zu. Detlev Borowsky, Fachbereichsleiter, rechnet vor, dass sich in Hessen ein Berg von Überstunden auftürmt, also Neueinstellungen notwendig wären. Zudem stand längst eine kräftige Erhöhung der Entgelte an. Die Post AG verdient gut, die Aktionäre bekommen satte Dividenden. Nur die Beschäftigten müssen halt zurecht kommen.
Der Paketzusteller
An seinem Arbeitsplatz im Zweitonner-Lkw ist er allein. Dennoch ist der Paketzusteller Adnan Mutluoglu viel unter Menschen. Was über einem Kilo wiegt und auf den Postweg geht, Bücher, Waren, Info-Post, Päckchen, bringt er an den Mann und an die Frau. Das tut er seit 17 Jahren, in der Regel fünf Tage in der Woche, manchmal auch sechs, meistens zehn Stunden lang. Am Abend fährt er mit vollem Auto wieder zurück, wenn er Briefe und Warensendungen für seine Zustellbasis eingesammelt hat. Er verrichtet seine Arbeit gern. 1500 Euro netto bekommt er dafür. Andere, die neu im Geschäft sind, bekommen im Schnitt 20 Prozent weniger Geld. Am Ende des Jahres werden die Überstunden abgerechnet, in Freizeit und in Geld. 39 Jahre ist er jung, doch am Ende des Tages spürt er alle Knochen und ist bleiern müde. In der Gewerkschaft engagiert sich Adnan Mutuoglu trotzdem: Er will in eine gesicherte Zukunft blicken können. Dazu braucht er Geld, um vernünftig zu leben; er braucht Kündigungsschutz, um eine Arbeitsperspektive zu haben; er braucht Freizeit, um wenigstens die körperlichen Belastungen auszugleichen. Und deshalb streikt er auch.
Die Sortiererin
Ihr Name tut nichts zur Sache, denn wie sie arbeiten viele Frauen - als Verteilkraft, als Teilzeitarbeiterin in einem hessischen Briefzentrum der Post AG. Drei bis vier Frauen stehen an dem "Modul Rahmenpaletten". Solche Paletten kann man sich vereinfacht als große Holzkisten vorstellen, nur dass sie 600 bis 700 Kilo wiegen. Darin liegen die "Bündel", zum Beispiel Zeitungen. Mal sind sie grob sortiert - dann können sie sofort von zwei Frauen "verworfen" werden auf andere Paletten, Postleitzahlbereichen zugeordnet. Andernfalls müssen sie erst aufgeschnitten und gesichtet werden. Dafür muss aber jemand diese Bündel aus den Paletten herausheben. Das tun ebenfalls die Frauen. Und nach Jahren dieser Arbeit spüren sie schmerzhaft, ob eines die üblichen 16 Kilo hat oder 20 und manchmal sogar mehr. Irgendwann meldet sich das Kreuz, die Kniegelenke schmerzen, die Gebärmutter senkt sich. Arbeitszeitverdichtung ist da auf keinen Fall drin. Kurzpausen sind unerlässlich und mehr Geld bei rund 1100 Euro netto auch. Deshalb macht sie im Streik mit. Was sie jedoch am meisten ärgert: "Jahrelang setzt du dich für den Betrieb ein, willst ein gutes Betriebsklima. Aber wenn du dich für deine eigenen Interessen engagierst, wird es dir übel genommen."