Ausgabe 06/2008-07
Gut bezahlt zahlt sich aus
Von Birgit Tragsdorf |Petra Wust und Hans-Jürgen Krause
Die Stadt Bitterfeld-Wolfen baut neues Image auf, setzt auf Sachpolitik und ihre Mitarbeiter/innen
Von Birgit Tragsdorf
Stellenabbau, Gebührenerhöhung, Streichung von freiwilligen kommunalen Leistungen - das sind nur einige der Reaktionen der Arbeitgeber auf den Abschluss des Tarifvertrages im öffentlichen Dienst. Der Öffentlichkeit wird nicht selten eingeredet: Die Beschäftigten in den Rathäusern treiben die Kommunen in den Ruin. Dabei ist klar, dass Kommunalpolitik immer nur so gut ist wie die Arbeit der Stadtverwaltung. Ohne motivierte Mitarbeiter/innen geht es nicht, und dazu gehört auch eine angemessene Bezahlung. Nach jahrelangem Verzicht, Tarifverträgen, die die Löhne senkten, und Einkommensverlusten ist der Tarifkompromiss 2008 als Anerkennung und Motivation für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zu werten.
Eine Stadt mit vielen Besonderheiten
Bitterfeld-Wolfen ist eine Stadt, die sich durch einen enormen Wandel in den letzten Jahren ein neues Image aufgebaut hat: lebenswert für Bevölkerung und Besucher und attraktiv für die Wirtschaft. Es ist eine Industriestadt im Grünen. Die Stadt hat mit der ehemaligen Braunkohlengrube Goitzsche ein Wasserparadies vor der Haustür: mit Uferpromenade, Bootshafen, Badestellen, Uferbegrünung. Die Stadt hat in diese Attraktion kräftig investiert.
Wie passen da Haushalt und Tariferhöhung zusammen? "Ohne wirtschaftliche Entwicklung geht gar nichts", betont Oberbürgermeisterin Petra Wust. Bitterfeld-Wolfen und die Region sind über Generationen von der Chemie geprägt, mit einer hohen Akzeptanz. Jetzt sind wieder etwa 360 Firmen hier ansässig, es ist die dynamischste der mitteldeutschen Regionen. Zur Chemieindustrie ist in den letzten Jahren die Solartechnik hinzugekommen. "Und bei dem kräftigen Bevölkerungsverlust seit der Wende wäre es ja schön, wenn es die auch zum Wohnen hierher zöge, die schon hier arbeiten", meint die Oberbürgermeisterin.
Bitterfeld-Wolfen entstand 2007 aus dem freiwilligen Zusammenschluss von Wolfen, Bitterfeld und drei anderen Gemeinden. Dieses Jahr verfügt die Kommune über einen ausgeglichenen Haushalt. Die nächsten fünf Jahre werden durch die unterschiedlichen Steuersätze der Gemeinden schwieriger, aber es ist zu schaffen - so Petra Wust. Die Investitionen werden zurückgeschraubt, bei den freiwilligen Leistungen wie Kultur, Sport, Freizeit soll möglichst nicht gekürzt werden. Sie machen ein Stück der Lebensqualität in der Stadt aus. Über 200 Vereine zeigen die Vielfalt der Möglichkeiten.
Die parteiunabhängige Oberbürgermeisterin hatte in den laufenden Haushalt drei Prozent Tariferhöhung eingeplant. Sie will ihre zirka 650 Mitarbeiter/innen gut und angemessen bezahlen. Aber mit den Tarifverträgen hadert sie schon etwas: "Ich sehe meine Mitarbeiter differenziert. Mit der Bezahlung möchte ich motivieren und gute und schlechte Arbeit regulieren können." Sie steht konsequent für Leistungsbewertung. Ihr Führungsstil ist ein besonderer. Das sieht auch Personalratsvorsitzender Hans-Jürgen Krause so. Die Oberbürgermeisterin ist kooperativ, geht auf andere zu, ringt um sachliche Lösungen, fernab von Parteigeplänkel. Und so findet sie auch die Mehrheiten für ihre Politik. "Ich glaube, das ist vielleicht der weibliche Weg in der Politik", sagt Petra Wust.
Im Zusammenwirken von Personalrat und Arbeitgeber gibt es keine Härten, sagt Personalrat Krause, selbst zu Zeiten des Warnstreiks nicht. Die Kolleg/innen des Personalrats haben sich diese Position erarbeitet, bei Entscheidungen sind sie schon früh mit im Boot. Derzeit bereitet die Oberbürgermeisterin ein Personalentwicklungskonzept vor und der Personalrat eine Qualifizierungsvereinbarung. Beides wird dringend nötig sein, denn altersbedingt werden in den nächsten Jahren noch 192 Mitarbeiter die Rathäuser verlassen. In diesem Jahr wurden andererseits alle Auszubildenden übernommen.
Bitterfeld-Wolfen ist was Besonderes, da sind sich Petra Wust und Hans-Jürgen Krause einig. Eine Tradition lebt in neuen Formen weiter, und die Stadt, ihre Beschäftigten, die Bevölkerung und eine gute wirtschaftliche Perspektive tragen zum veränderten Image bei.