In den nächsten Monaten werden die Weichen dafür gestellt, wie wir künftig Rundfunkangebote nutzen können. Ein Überblick

Bilderflut auf allen Kanälen: Bereits Ende 2007 gab es in Deutschland 149 private TV-Sender

von HOLGER WENK

Radio und Fernsehen nutzt jeder fast täglich - neben Zeitungen und Zeitschriften. All diese klassischen Mas- senmedien drängen ins Internet, das Medium, bei dem immer mehr Deutsche "drin sind". Auch mit Millionen Handys telefonieren Kunden hierzulande nicht nur. Neue Übertragungstechnik und neue Empfangsgeräte bieten ungeahnte Möglichkeiten, mehr Programme, neue Sendungen und so genannte Telemedien-Angebote. Darauf muss die Politik reagieren und die Spielregeln anpassen.

Weil der Rundfunk im föderalen Deutschland Ländersache ist, sind derzeit Beamte, Politiker und Medienexperten aus allen 16 Bundesländern mit den entsprechenden Verhandlungen beschäftigt. Die neuen Regeln sollen sowohl den Rundfunkurteilen des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe entsprechen, als auch wettbewerbsrechtlich Bestand vor der EU in Brüssel haben. Bis Mai nächsten Jahres soll die neue Rechtsgrundlage in Form von Staatsverträgen für Rundfunk und Telemedien stehen. Eine Menge Arbeit für die Fachleute. Was aber ändert sich für die Verbraucher?

Öffentlich-rechtlich wird teurer

Gebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk muss weiterhin jeder bezahlen, der Empfangsgeräte besitzt - auch geeignete Handys und alle Computer mit Internetanschluss gehören dazu. Die Gebühren steigen: Pro Monat sind ab 1. Januar 2009 statt derzeit 17,03 Euro künftig 0,95 Euro mehr zu bezahlen. So lautet die Empfehlung der unabhängigen Experten der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Möglicherweise vereinfacht sich aber das Verfahren der Gebührenerhebung: Die Bundesländer wollen statt der Gebühr für die Empfangsgeräte auf eine Gebühr pro Haushalt umstellen. Über die weiterhin geltende Gebührenbefreiung aus sozialen Gründen etwa für Bezieher von Bafög oder ALG II hinaus gibt es auch Überlegungen, die Höhe der Gebühr nach Einkommenshöhe zu staffeln.

Werbeverbot für ARD und ZDF?

Die KEF hat auch den Auftrag, Vorschläge für eine faire Verteilung der 5,5 Milliarden Euro Gebühren pro Jahr auf die neun ARD-Anstalten vorzulegen. Denn Radio Bremen und der Saarländische Rundfunk hängen am Tropf der "reichen" ARD-Anstalten wie WDR, NDR, SWR und BR. Außerdem bezeichnet ein neues Rechtsgutachten im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) das derzeitige Gebührenverteilsystem als "nicht verfassungsgemäß".

Hintergrund ist unter anderem der höchst unterschiedliche Anteil von Gebührenbefreiungen in den jeweiligen Sendegebieten. Hier schlägt beispielsweise die Linke vor, dass die Befreiung nicht weiter zu Lasten der Rundfunkanstalten gehen soll, sondern aus staatlichen Töpfen beglichen wird.

Sogar die Mischfinanzierung von ARD und ZDF aus Gebühren und Werbe-/ Sponsoringeinnahmen steht auf dem Prüfstein. Den ganzen Tag fernsehen und Radio hören ohne Werbepause? Ob das mit 1,42 Euro mehr pro Monat und Gebührenzahler zu finanzieren ist, wie die KEF schätzt, oder ob es andere Möglichkeiten des Ausgleichs für die jährlich rund 500 Millionen Euro Einbußen der öffentlich-rechtlichen Anstalten gibt, ist noch offen. Der französische Präsident Nicolas Sarkozy, der ab 2009 schrittweise ein Werbeverbot für die dortigen öffentlich- rechtlichen Sender anstrebt, setzt zur Gegenfinanzierung auf Abgaben von Privatsendern, Mobilfunk- und Internetanbietern.

Antenne nur noch digital und mit Internet?

Entscheidend ist, wie der Zugang für alle Bürger zu Rundfunk und Telemedien gesichert wird - und zwar zu vernünftigen Kosten. So bekommen ARD und ZDF das Recht, aus dem teuren analogen Antennenfernsehen zugunsten von digitaler Programmverbreitung auszusteigen - entweder über Antenne, Kabel, Satellit oder aufgerüstetes Telefonnetz. Das könnte schon 2009 der Fall sein, so dass ohne eine Zusatzbox nirgendwo in Deutschland öffentlich-rechtliches TV mehr per Antenne zu empfangen wäre. Die entsprechende Box gibt es in jedem Elektromarkt ab 50 Euro zu kaufen. Zugleich laufen in mehreren Bundesländern schon Pilotprojekte, um zum Beispiel in ländlichen Regionen mit schwachen Telefonleitungen beziehungsweise ohne Kabel über die Antennenfrequenzen Breitband-Internet mit TV und Radio anzubieten.

Erstmals wird im neuen Rundfunkrecht die Funktion von Plattformen in verschiedenen Netzen wie dem Kabel definiert. Deren Betreiber dürfen keine Programmveranstalter diskriminieren, sollen deren Sendungen unverändert durchleiten und müssen ihre Kapazität zu einem Drittel für öffentlich-rechtliche Angebote zur Verfügung stellen. Das gilt auch für das so genannte Handy-TV, wobei die Bundesländer ARD und ZDF aus Kostengründen nur ein gemeinsames Mobil-Programm gestatten wollen.

Mehr Vielfalt und bessere Kontrolle

Positiv an der digitalen Vielfalt ist, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit neuen Programmen und Online-Angeboten entwickeln kann. So wird das Deutschlandradio neben seinen zwei UKW-Programmen in Kooperation mit der ARD bundesweit noch ein weiteres, digitales Radioprogramm senden dürfen. ARD und ZDF sollen ihre Programme ebenfalls online verbreiten und können "sendungsbegleitend" ihre Inhalte im Internet kostenlos anbieten - allerdings auf eine Woche zeitlich begrenzt. So kann jede verpasste Sendung mit Ausnahme von Spielfilmen nachträglich im Internet angeschaut werden. Danach dürfen sie als neue Angebote etwa in Extra-Rubriken der Mediatheken von ARD und ZDF nur noch kostendeckend zur Verfügung gestellt werden.

Diese neuen Regeln sind noch heftig umstritten, genau so wie die Sicherung der Angebotsvielfalt und das Verhindern vorherrschender Meinungsmacht. Wenig sinnvoll ist es, dass die bisher erfolgreich agierende Kommission zur Konzentrationskontrolle (KEK), die ausschließlich mit unabhängigen Experten besetzt ist, künftig um die Direktoren der sechs großen Landesmedienanstalten erweitert wird. Das ist offenbar der medienpolitische Preis dafür, dass die Direktorenkonferenz als Entscheidungsgremium abgeschafft wird.

Über Zulassung und Aufsicht neuer privater Angebote soll künftig eine bundesweite Kommission entscheiden. So ist bald mit neuen, deutschland- weiten Hörfunkprogrammen etwa für Kinder zu rechnen.

Für später angedacht, unter anderen von der SPD, ist eine Medienanstalt aller deutschen Bundesländer nach dem Vorbild anderer Staaten in Europa. Diskutiert wird auch, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in die Arbeit der bislang nur für kommerzielle Veranstalter zuständigen Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) einzubinden. Dann müssten zum Beispiel Sendungen wie der Tatort bei brutalen Szenen mit Schnitt- oder Sendezeitauflagen rechnen - wie ihre private Konkurrenz jetzt schon.

Elektronische Medien

Außer den über 80 öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen hat sich die Zahl der kommerziellen Angebote massiv erhöht. Ende 2007 gab es in Deutschland 149 bundesweite und 226 landesweite bzw. regional-lokale Privat-TV-Sender und über 200 Privatradios. Darüber hinaus gibt es in Deutschland fast 700 Web-TV-Angebote. 42,7 Millionen Erwachsene (65,8 Prozent) sind inzwischen online. Auf 100 Deutsche kommen 109 Mobilfunkverträge. Etwa 20 Prozent aller Handybesitzer nutzt schon das Web mobil.

Änderungen und Fristen

Der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ändert die regional zersplitterte Aufsicht über Privatfunk und Frequenzen sowie bei der Medienkonzentration. Er muss von allen Landesparlamenten bis August 2008 beschlossen werden. Der 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag erhöht die öffentlich-rechtliche Rundfunkpflichtgebühr auf 17,98 Euro pro Person und Monat. Er muss bis Dezember 2008 alle Landtage passieren. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt klarer definieren. Er muss in Abstimmung mit der EU bis April 2009 von allen Bundesländern beschlossen sein.

ver.di-Positionen

Im April 2008 hat der ver.di-Bundesvorstand einen Beschluss zur Rundfunkzukunft gefasst: www.rundfunkfreiheit.de/upload/m481af8188d173_verweis2.pdf

Aktuelle medienpolitische Informationen und Argumente unter: www.rundfunkfreiheit.de/brancheninfos_medienpolitik.php3

Elektronische Medien

Außer den über 80 öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogrammen hat sich die Zahl der kommerziellen Angebote massiv erhöht. Ende 2007 gab es in Deutschland 149 bundesweite und 226 landesweite bzw. regional-lokale Privat-TV-Sender und über 200 Privatradios. Darüber hinaus gibt es in Deutschland fast 700 Web-TV-Angebote. 42,7 Millionen Erwachsene (65,8 Prozent) sind inzwischen online. Auf 100 Deutsche kommen 109 Mobilfunkverträge. Etwa 20 Prozent aller Handybesitzer nutzt schon das Web mobil.

Änderungen und Fristen

Der 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrag ändert die regional zersplitterte Aufsicht über Privatfunk und Frequenzen sowie bei der Medienkonzentration. Er muss von allen Landesparlamenten bis August 2008 beschlossen werden. Der 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag erhöht die öffentlich-rechtliche Rundfunkpflichtgebühr auf 17,98 Euro pro Person und Monat. Er muss bis Dezember 2008 alle Landtage passieren. Der 12. Rundfunkänderungsstaatsvertrag soll den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der digitalen Welt klarer definieren. Er muss in Abstimmung mit der EU bis April 2009 von allen Bundesländern beschlossen sein.

ver.di-Positionen

Im April 2008 hat der ver.di-Bundesvorstand einen Beschluss zur Rundfunkzukunft gefasst: www.rundfunkfreiheit.de/upload/m481af8188d173_verweis2.pdf

Aktuelle medienpolitische Informationen und Argumente unter: www.rundfunkfreiheit.de/brancheninfos_medienpolitik.php3