Immer noch nichts gelernt: Leipzig will Sanierung von Schulen privaten Anbietern überlassen

Leipzigs Stadtverwaltung hat Finanzprobleme. Die Stadt ist stark verschuldet und muss Kredite in Höhe von 900 Millionen bedienen. Das sind neun Prozent des Etats. Und nun sucht sie nach neuen Wegen: PPP - Public Private Partnership (Öffentlich-Private Partnerschaft) soll eine Lösung sein.

Für die Sanierung von fünf Schulen holt Leipzig derzeit Angebote vom PPP-Beraterverbund Halle ein. Auf einer ver.di-Informationsveranstaltung stellten der Vertreter des Beraterverbundes, Dirk Giese, Leipzigs Finanzbürgermeisterin Bettina Kudla (CDU) und die Personalratsvorsitzende der Stadtverwaltung Chemnitz, Sabine Lange, ihre Sichtweisen und Erfahrungen vor.

Worum geht's bei PPP?

Diese öffentliche und private Partnerschaft entsteht, wenn eine Kommune die Sanierung oder den Bau und den Betrieb ihrer Einrichtungen und Infrastrukturen an Private übergibt. Das sind meist Verbünde von Anwälten, Baufachleuten, Wirtschaftsprüfern und Beratern, die mit Hilfe von Krediten und privatem Geld Schulen, Justizvollzugsanstalten, Straßenbauprojekte oder auch Flughäfen bauen oder sanieren und dann für eine festgeschriebene Laufzeit betreiben. Während dieser Zeit zahlt die öffentliche Hand Miete.

Bei diesem Geschäft muss und will ein privater Anbieter Gewinne erwirtschaften. Ausgehandelt werden Verträge mit einer langen Laufzeit zwischen 10 und 50 Jahren, oftmals mit einem Umfang von tausenden Seiten. Bei einer PPP-geführten Sanierung einer Schule beispielsweise werden Schülerzahlen, Betriebskosten, Energiemengen und natürlich auch die Personalkosten nur hochgerechnet. Wer kennt die Entwicklung in zehn, 15 Jahren? Verlässliche Daten gibt es nicht, aber jede Menge Risiken.

In England, wo PPP seinen Anfang nahm, gibt es eine erste Erhebung der britischen Gewerkschaft UNISON an über 100 Schulprojekten. Hier offenbart sich, wo die Kostenvorteile der Privaten erwirtschaftet werden: Billigbau am unteren Rand der Vorschriften, Billiglöhne bei Subunternehmen, Austausch der Beschäftigten durch Billigkräfte sofort nach Auslaufen des Bestandsschutzes, Fast-Food-Caterer statt hochwertigem Schulessen, eingesparte Sportplätze. Was vertraglich nicht eindeutig beschrieben ist, wird unter Kostenaspekten ausgelegt. Der Geldregen des Projekts geht größtenteils an den einheimischen Mittelständlern vorbei, denn die Investoren agieren europaweit. Also auch Fehlanzeige bei Steuereinnahmen und Arbeitsplätzen in der Region.

Personalräte über Hintergründe und Wirkung von PPP informieren

Leipzigs Stadtkämmerin Bettina Kudla erklärte, angesichts der Haushaltslage sollte sich die Stadt auch den neuen Impulsen der Privaten nicht verschließen. Sie geht davon aus, dass mit einer Bindung von 25 Jahren in Leipzig fünf Schulen über PPP billiger für die Stadt saniert und privat bewirtschaftet werden können. Eine Rechnung macht sie nicht auf: Was bezahlt Leipzig wirklich in den 25 Jahren an Miete? Wie hoch sind die Kosten, wenn die Stadt mit den viel günstigeren kommunalen Krediten selbst investiert? Es gibt bereits Erfahrungen, die hellhörig machen. Nach Recherchen des Publizisten Werner Rügemer (Heuschrecken im öffentlichen Raum, transcript Verlag, 2008) zahlte der Landkreis Offenbach für seine Schulen jährlich rund 30 Millionen Euro. Mit PPP ist es jetzt fast das Doppelte, mit steigender Tendenz. Vor allem die Betriebskosten sind höher als in den Effizienzgutachten angenommen. Anpassungsklauseln lassen Mieterhöhungen zu, unklare Formulierungen ermöglichen Reparaturen zu Lasten des Mieters, Nebenkosten für Beratung und Finanzierung schlagen zu Buche.

PPP-Mann Dirk Giese wiegelt ab: Die privaten Beschaffer und Betreiber hätten einen Effizienzvorteil von 14 bis 16 Prozent. "Wir können den Investitionsstau beseitigen, sehen den gesamten Lebenszyklus und haben im Gegensatz zu den Kommunen die Betriebskosten im Blick", so Giese. Und schließlich hänge ja alles davon ab, wie gut die jeweilige Seite den umfangreichen Vertrag aushandele.

Die Diskutanten in der Leipziger Runde blieben skeptisch. Wie teuer erkauft eine Kommune diese Investitionen und was gibt sie letztendlich an Mitwirkung aus der Hand?

Stadt und Bürger zahlen am Ende drauf

Der Personalrat der Stadtverwaltung Chemnitz hat sich bei den PPP-Plänen seiner Stadt schlau gemacht. Mit ver.di-Hilfe bestellte er einen Gutachter. Sabine Lange, die Personalratsvorsitzende, erläutert den Leipziger Kolleg/innen die Ergebnisse: Ist PPP tatsächlich wirtschaftlicher? Ist es nicht. Die Berechnungen der Privaten beruhen nicht auf nachvollziehbaren Zahlen, es sind nur Schätzungen. Und letztlich zahlen Stadt und Bürger drauf, so das Gutachten. Der Personalrat informierte die Stadträte und ging mit seinem Papier in die Fraktionen. Schließlich lehnte die Stadt Chemnitz PPP als Finanzierungsmodell für zehn geplante Schulen ab.

Das sollte die Personalräte anderer Kommunen motivieren, mit den Chemnitzer Kolleg/innen Kontakt aufzunehmen und ihre Erfahrungen zu nutzen.