Mein Arbeitsplatz: Sabine Rieckermann

Sabine Rieckermann ist Schulsekretärin an der Ida-Ehre-Gesamtschule in Hamburg-Eimsbüttel und Gesamtpersonalrätin.

Pubertierende Gören finde ich klasse. Wenn die Schüler/innen zu mir kommen, wollen sie was von mir. Dann können sie durchaus ganze Sätze sprechen.

Ich betreue die Klassen acht bis zehn, 500 Schüler/innen. Vormittags ist immer was los. Bei mir melden die Eltern ihre Kinder krank, und die Lehrer haben ständig Fragen: Wo ist das Modell vom Borkenkäfer? Mit welchem Formular bestelle ich einen Klassensatz Englischlektüre? Auch mit der Schulleitung arbeite ich eng zusammen, koordiniere ihre Termine. Ich organisiere Materialbeschaffung, Sitzungen, Konferenzen und halte den Kontakt zu den Behörden. Das sind keine schwierigen Aufgaben, aber ich habe selten die Gelegenheit, Mittag zu essen. Erst nach Schulschluss kann ich kontinuierlich an einer Sache arbeiten. In den letzten Jahren sind viele Aufgaben dazugekommen, ohne dass die Arbeitszeit angepasst worden wäre.

Vor allem muss ich den Schulbesuch der Schüler/innen sichern. Seit die siebenjährige Jessica hier in Hamburg verhungert ist, müssen wir sehr genau hinschauen. Wenn Eltern ihre Kinder abmelden, weil sie angeblich in ein anderes Bundesland oder ins Ausland ziehen, prüfe ich, ob das stimmt. Leider kommt es vor, dass die Familien in der Stadt bleiben und ihre Kinder nicht in die Schule schicken. Wir hatten sogar Eltern, die ihren Kindern deshalb einen neuen Namen gegeben haben. Ich hatte schon heftige Gespräche, wurde als Rassistin beschimpft und geschubst.

Nicht mehr nach Hause

Selbst in diesem scheinbar ruhigen Stadtteil gibt es Wohlstandsverwahrlosung. Bulimie, Ritzen, Gewalt, Missbrauch, die ganze Palette. Manche Mädchen wenden sich lieber an mich als an ihre Lehrer. Es ist erschütternd, wenn sie sagen: Ich will nicht mehr nach Hause.

Natürlich gibt es auch schöne Momente. Wie selbstverständlich die jungen Menschen einen Behinderten in ihrer Integrationsklasse aufnehmen, ist wunderbar. In den Schulferien genieße ich die Ruhe. Auf Dauer ist Schule ohne Schüler/innen aber nichts für mich.

PROTOKOLL: HANS WILLE