Sieben Gemeinden am Bodensee gründen ein eigenes Unternehmen, für eine „regional orientierte, verbraucherfreundliche und preisgünstige Energieversorgung“

VON BERNWARD JANZING

Eigene Stromnetze - das wäre doch was. Sieben Gemeinden am Bodensee hatten die Vision, ihre Energieversorgung künftig selbst in die Hand zu nehmen. Sie wollten weg von der Energie Baden-Württemberg (EnBW) als Netzbetreiber und wollten ein E-Werk in kommunaler Regie aufbauen. Bereits im Jahr 2006 fassten sie den Beschluss, jetzt wird er umgesetzt: In sechs der Gemeinden laufen zum 31. Dezember 2008 die Konzessionsverträge für die Stromversorgung aus.

Inzwischen ist die Regionalwerk Bodensee GmbH & Co. KG mit Sitz in Tettnang gegründet. Die Gemeinden Eriskirch, Kressbronn, Langenargen, Meckenbeuren, Neukirch, Oberteuringen und Tettnang mit zusammen 60000 Einwohnern halten 52 Prozent an dem neuen Unternehmen. Der Anteil der Kommunen ist von ihrer jeweiligen Größe abhängig: Tettnang kommt als größte Gemeinde auf 15 Prozent, gefolgt von Meckenbeuren mit zwölf Prozent. Durch die kommunale Mehrheit, so heißt es beim Regionalwerk, sei "sichergestellt, dass Unternehmensstrategie und unternehmerisches Handeln in erster Linie an bürgerschaftlichen Interessen und Bedürfnissen orientiert sind."

Neben den sieben Kommunen sind die Technischen Werke Friedrichshafen (TWF) und das Alb-Elektrizitätswerk Geislingen-Steige mit jeweils 24 Prozent beteiligt. "Wir hatten die Unternehmenspartnerschaften ausgeschrieben und uns dann für diese beiden Versorger entschieden", sagt Geschäftsführer Heinz-Leo Geurtsen. Die TWF Friedrichshafen lagen dabei als Partner nahe: Das Versorgungsnetz des Unternehmens grenzt direkt an das Regionalwerk.

Bislang allerdings ist das neue Unternehmen nur Stromverkäufer. Die Netze gehören derzeit noch der EnBW - und über den Kaufpreis wird noch verhandelt. Im unteren zweistelligen Millionenbereich dürfte der Preis der Netze liegen. Offiziell werden bislang keine Zahlen genannt, weil die Preisverhandlungen noch laufen. Nur so viel ist zu hören: In den kommenden 20 Jahren werde man 60 Millionen Euro in die Energieversorgung im Netzgebiet investieren. Dass dabei bevorzugt regionale Unternehmen die Aufträge erhalten sollen, gehört auch zum Firmenkonzept.

Es ist ein Weg zurück zu den Wurzeln. Viele Städte und Gemeinden in Deutschland hatten um das Jahr 1900 ihr eigenes Elektrizitätswerk gegründet, ehe sie dann in den siebziger Jahren ihre Stromnetze an Regionalversorger oder gar an die großen Konzerne verkauften. Doch inzwischen ist ein Trend zur Rekommunalisierung zu erkennen. Nach den "Stromrebellen" von Schönau, die als Bürgerinitiative gegen Atomkraft 1997 das örtliche Netz übernahmen, und der Stadt Waldkirch, die 1999 eigene Stadtwerke gründete, gibt es inzwischen eine ganze Reihe von Kommunen, die wieder eigene E-Werke aufbauen wollen. Das Regionalwerk Bodensee kann übrigens auf das Know-how aus Waldkirch direkt zurückgreifen: Geschäftsführer Geurtsen war damals selbst an der Gründung des dortigen Unternehmens beteiligt.

Ein scharfes Schwert

Auch in Wolfhagen in Nordhessen hat die Stadt inzwischen ihr Stromnetz übernommen. Seither registriert Martin Rühl, Geschäftsführer der Stadtwerke Wolfhagen, großes Interesse aus anderen Gemeinden: "Die Kommunen haben erkannt, dass sie mit den Konzessionsverträgen über ein scharfes Schwert verfügen, mit dem sie sich gegen die Willkür der Energieriesen wehren und ihre Versorgung wenigstens ein Stück weit wieder selbst in die Hand nehmen können."

Der Zeitpunkt ist für viele Gemeinden günstig. Denn in den Jahren 2010 bis 2012 laufen bundesweit viele Stromkonzessionen aus. Allein in Nordhessen enden bis 2011 in 150 Kommunen die Konzessionsverträge. Im Landratsamt in Kassel schätzt man, dass allein in diesem Landkreis bis zu 30 Städte und Gemeinden den Rückkauf ihres Netzes anstreben. Und auch im Netzgebiet der EnBW laufen in den nächsten Jahren zahlreiche Konzessionen aus.

Manche Kommunen, die in der Vergangenheit die Netze von den bisherigen Versorgern übernehmen wollten, mussten den Kaufpreis jedoch gerichtlich klären lassen. Das ist immer dann der Fall, wenn sich die Netzeigentümer mit den Kommunen nicht einigen können.

Jetzt geht's los

Doch Regionalwerk-Chef Heinz-Leo Geurtsen zeigt sich zuversichtlich, am Bodensee eine einvernehmliche Lösung mit den bisherigen Netzbetreibern zu finden. Neben der EnBW, die in den betreffenden Gemeinden bisher die Stromnetze betreibt, sind das außerdem die Thüga und die TWF, die in den Gemeinden die Gasnetze besitzen. Denn auch Gas wird das Regionalwerk künftig liefern.

Im ersten Schritt geht es nun darum, die Kunden zu akquirieren. Denn seit der Liberalisierung der Energiemärkte ist es nicht mehr so wie früher, als die Strom- und Gaskunden zwangsläufig vom Netzbetreiber versorgt wurden. Die Gaskunden aus Meckenbeuren und Oberteuringen, wo bislang die TWF die Versorgung übernahm, werden direkt dem Regionalwerk überschrieben, sofern sie nicht widersprechen; dies ist möglich, weil die TWF an dem neuen Unternehmen auch beteiligt sind. Die Stromkunden von EnBW und die Gaskunden der Thüga müssen jedoch aktiv geworben werden.

Dabei kam es bereits zur ersten gerichtlichen Auseinandersetzung mit der EnBW. Der Konzern störte sich daran, dass die Gemeinden ihr als privatwirtschaftliches Unternehmen ausgestaltetes Regionalwerk bei der Werbung um neue Kunden unterstützen. Die Gemeinden legen Werbematerial aus, veröffentlichen Infos im Gemeindeblatt und bieten Beratung an. Der Stromkonzern warf den Kommunen vor, dass sie damit ihre Hoheitsaufgaben für ihr Energiegeschäft nutzten, und dies verstoße gegen das Wettbewerbsrecht. Doch das Landgericht Ravensburg wies den Antrag der EnBW auf einstweilige Verfügung gegen das Regionalwerk Bodensee zurück.

Nach und nach sollen nun im Vertrieb, im Netzbereich und im Service Arbeitsplätze für rund 35 Mitarbeiter geschaffen werden. Aus Sicht von Werner Vorderwülbecke, Fachbereichsleiter Ver- und Entsorgung im ver.di-Landesbezirk Baden-Württemberg, ist eine solche Rekommunalisierung "grundsätzlich eine gute Sache, weil die Stadt damit Einfluss auf den Betrieb nehmen kann." Zudem kämen die Gewinne eines kommunalen Unternehmens der Allgemeinheit zugute. So seien die Erfahrungen mit Gemeinden, die ihre Energieversorgung selbst übernehmen "durchweg positiv", zumal es in der Regel nicht zum Personalabbau, sondern zumindest in der Startphase sogar zum Personalaufbau komme.

Zum 1. November wurden die ersten Gaskunden übernommen, die Stromversorgung startet zum Jahreswechsel. Vor allem beim Gas soll das Preisargument die Kunden zum Wechseln bewegen: "Wir sind günstiger als die Thüga", verspricht Geurtsen. Beim Strom allerdings könne man aktuell noch nicht so agieren, wie ursprünglich erhofft, sagt der Geschäftsführer, weil man den Strom an der Strombörse für 2009 zum Teil zu recht hohen Preisen eingekauft habe. Immerhin soll es zumindest für die ersten Kunden einen Wechselbonus von 50 Euro geben. Auf über 1000 bezifferte das Unternehmen seine Kundenzahl Ende Oktober.

Der Strommix wird - worauf der Einkauf an der Börse bereits hinweist - dem deutschen Mittel entsprechen. Allerdings ist das nur der Anfang. In Zukunft soll das Regionalwerk Bodensee sich auch im Sektor der erneuerbaren Energien stärker profilieren. "Wir streben ein Gesamtpaket aus erneuerbaren Energien und Effizienz beim Energieangebot an", wirbt das Unternehmen. Diese Richtung nämlich gibt auch der Gesellschaftervertrag vor: "Wir müssen im Ökobereich tätig werden und auch selbst investieren, das ist Vorgabe der Kommunen", sagt Geurtsen. So soll auch ein Produkt aus Ökostrom von österreichischen Wasserkraftwerken angeboten werden.

Das Regionalwerk Bodensee hat bundesweit Beispiel-Charakter: "Auf diese Gründung schaut die Energiewirtschaft der ganzen Republik", sagt Geurtsen, "wir bekommen Anfragen aus unterschiedlichsten Regionen".

Vor allem der Versuch kleiner Kommunen, durch einen Zusammenschluss zu wirtschaftlicher Größe zu kommen, werde genau beobachtet. Wenn das Regionalwerk Bodensee Erfolg hat, wovon alle Beteiligten natürlich ausgehen, dürfte das Konzept einige Nachahmer hervorbringen.