Generalstreik auf den Inseln Guadeloupe, Martinique und La Réunion

Von Dorothea Hahn

Gewerkschafter/innen am 25.2. in Guadeloupe

Die DOM - die überseeischen Départements - kennen die meisten Franzosen aus der Postkartenperspektive: blaues Meer, lächelnde Menschen. Jetzt entdecken sie die Kehrseite der Idylle. Ein mehr als sechs Wochen langer Generalstreik auf Guadeloupe, der sich auf die Nachbarinsel Martinique ausgeweitet und Nachahmer auf La Réunion im Indischen Ozean gefunden hat, wirft ein Schlaglicht auf die subtropischen Armenhäuser der Republik: Niedriglöhne, Hochpreise, soziale Ungleichheit, ethnische Spannungen, Wut.

Katalog gegen Ausbeutung

Schon der kreolische Name des Kollektivs, das am 20. Januar auf Guadeloupe zum Streik aufruft, ist Programm: "Liyannaj kont Pwofitasyon" (LKP) - gemeinsam gegen Ausbeutung. 48 Organisationen haben sich zusammengeschlossen, darunter Gewerkschaften, die sich 30 Jahre befehdet haben, Vereine, nationalistische Parteien. In einem 132-Punkte-Katalog fordern sie Lohnerhöhungen für die am schlechtesten bezahlten Inselbewohner, Preissenkungen für Grundnahrungsmittel, Gas und Benzin, Maßnahmen gegen den Rassismus bei Einstellungen, Sozialwohnungen und 19 zusätzliche Lehrerstellen. Auf Guadeloupe genießt der Streik große Sympathie. Die LKP blockiert Tankstellen, räumt Regale in Supermärkten leer, legt Schulen und Hotels lahm. Die Guadeloupeaner verstehen. Auf ihrer Insel ist alles teurer als in dem 7000 Kilometer entfernten Paris, aber das Lohnniveau ist niedriger. Die Arbeitslosigkeit betrug schon 2007 mehr als 25 Prozent. Aha-Effekte lösen die Übertragungen der Verhandlungen im örtlichen Fernsehen "Canal 10" aus. Da sind die Vertreter von Präfektur und Unternehmen fast alle weiß, die LKP-Leute fast alle schwarz. Die Plantagen, Supermärkte und Tankstellen gehören mehrheitlich den "Béké". Die Nachfahren der weißen Siedler und Sklavenhändler kontrollieren die Wirtschaft.

Echo in Frankreich

Schon an der ersten Demonstration in der Hauptstadt Pointe-à-Pitre nehmen 65000 der 450000 Inselbewohner teil. "In Paris wären das zehn Millionen", sagt LKP-Sprecher Elie Domota selbstbewusst. In der Metropole nehmen sie die soziale Bewegung auf Guadeloupe erst am 29. Januar wahr. An dem Tag sind 2,5 Millionen Menschen in Frankreich auf der Straße. Ihre Anliegen ähneln denen von der Insel: das teure Leben, die stagnierenden Löhne und die Arbeitslosig- keit. Staatspräsident Nicolas Sarkozy schweigt zum Generalstreik auf Guadeloupe, der sich Anfang Februar nach Martinique ausweitet. Sein Staatssekretär für die überseeischen Départements, Yves Jégo, führt Gespräche auf Guadeloupe. Als er Mitte Februar ein Abkommen mit Zugeständnissen an die Streikenden unterzeichnet, wird er sofort nach Paris zurückgeholt.

LKP-Sprecher Domota, zugleich Generalsekretär der Mehrheitsgewerkschaft UGTG, fordert, dass Paris an den Verhandlungstisch zurückkehrt und die Unternehmer mit dazu zwingt. Während des Generalstreiks sagt Domota, was seine Landsleute denken. Als Anfang März ein Abkommen zustande kommt, das den 48000 Niedriglohnbeschäftigten 200 Euro Lohnerhöhung zusagt, verspricht er: "Wir werden in jedes Unternehmen gehen und die Unterschrift holen." Denn die Mehrheit der Unternehmer will sich nicht an das Abkommen halten. Obwohl Paris ihnen mit Nachlässen bei den Sozialabgaben in Höhe von 100 Euro pro Niedrigverdiener helfen will und die Region weitere 50 Euro dazugibt.

Im März, als auch auf Martinique eine Erhöhung der Niedriglöhne um 200 Euro zustandekommt und auf La Réunion der Generalstreik beginnt, ist das Motto "Gemeinsam gegen Ausbeutung" in Frankreich angekommen.