Laute Stimmen für den Mindestlohn

Niedersachsen subventioniert Billiglohnbranchen mit 420 Millionen Euro

Hannover | Arm trotz Arbeit: Immer mehr Beschäftigte in Niedersachsen verdienen so wenig, dass sie ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Waren es im Januar 2007 noch rund 105000 Arbeitnehmer/innen, die Hartz IV beantragten, so erhöhte sich - nach den vorliegenden Statistiken der Bundesagentur für Arbeit - die Zahl der Betroffenen im Mai 2008 schon auf rund 130200. Dies bedeutet eine Steigerung um 24 Prozent.

Von diesen über 130000 so genannten Aufstockern gingen rund 33600 Arbeitskräfte einer Vollzeitbeschäftigung nach. Außerdem benötigten etwa 24300 Teilzeitkräfte und rund 72300 Mini-Jobber/innen staatliche Unterstützung. "Ein Skandal, dass immer mehr Menschen in unserem Land nicht mehr von ihrer Arbeit leben können und staatliche Unterstützung brauchen", sagt Siegfried Sauer, ver.di-Landesleiter Niedersachsen.

Unterste Grenzmarke

Nach Berechnungen des DGB muss der Armutslohn von Vollzeitbeschäftigten im Schnitt um gut 500 Euro im Monat aufgestockt werden, damit das Existenzminimum gesichert ist. Für diese Niedriglohnempfänger/innen mit Vollzeitjob muss der Staat in Niedersachsen über Hartz IV monatlich rund 17 Millionen Euro zuschießen. Etwa 18 Millionen wendet er für die sozialversicherten Teilzeitkräfte im Monat auf. Insgesamt stockt der Staat die Armutslöhne in Niedersachsen also monatlich mit über 35 Millionen Euro auf. Damit werden letztlich niedersächsische Billiglohnbranchen mit über 420 Millionen pro Jahr subventioniert. Das trifft insbesondere für die Leiharbeitsbranche, das Gaststätten- sowie das Verkehrsgewerbe zu, da allein in diesen Branchen ein Drittel der erwerbstätigen Hartz-IV-Empfänger/innen arbeitet. DGB und ver.di fordern daher die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes von zunächst 7,50 Euro pro Stunde als unterste Grenzmarke gegen Lohndumping.

Christiane Rösner, 47, Wachfrau in einem Bremer Krankenhaus, 6,99 €/Stunde

Gemeinsam gegen Armut

Würde hat ihren Wert - Arbeit ihren Preis: Unter diesem Motto schließen sich AWO, Sozialverband Deutschland - VdK, Sozialverband Deutschland (SoVD) sowie die Gewerkschaften ver.di und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zum Bündnis "Soziales Deutschland - Stimmen für den Mindestlohn" zusammen.

"Armut hat viele Ursachen. Unsere Kritik richtet sich gegen die Armut trotz Arbeit, bei Kindern und im Alter", so ver.di-Landesleiter Sauer. Jedes vierte Kind in Deutschland ist arm, weil seine Eltern nicht genug verdienen. Langzeitarbeitslosigkeit, unterbrochene Erwerbsbiographien, geringe Entlohnung schmälern bereits jetzt den Generationenvertrag. Folge: Altersarmut kehrt zurück. Armutslöhne führen zu Altersarmut. Dem tritt ver.di entgegen.

Das Bündnis will die wachsende Armut öffentlich zum Thema machen und für den gesetzlichen Mindestlohn werben. "Wir wollen unsere Mitglieder mobilisieren und weitere Bündnispartner in der Gesellschaft und vor allem in der Politik gewinnen. Wir wollen, dass die Menschen im Wahljahr 2009 auch über den Mindestlohn abstimmen. Denn die Politik muss sich endlich entscheiden", fordert Sauer.

Siehe auch Bericht Seite 10