"Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, der die schlimmsten Ausbeutungen abstellt", kommentierte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler die Ende Januar erzielte Einigung auf einen neuen Mindestlohn in der Pflege. "Die neuen Regelungen werden für Pflegekräfte insbesondere in den neuen Ländern und bei kommerziellen Anbietern zu deutlichen Verbesserungen führen." Hier zwei Beispiele:

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Pflegehelferin in Berlin

Eine Pflegehelferin, die bei dem kommerziellen Betreiber Vitanas in Berlin arbeitet, kam 2019 inklusive Sonderzahlungen in etwa auf den geltenden Pflegemindestlohn von 11,05 Euro pro Stunde. Durch die vereinbarte Erhöhung auf 12,55 Euro wird sie ab April 2022 über 13 Prozent mehr verdienen – bei einer Vollzeittätigkeit monatlich gut 260 Euro.

Pflegefachkraft in Mecklenburg-Vorpommern

Bei einem kommerziellen Träger in Ueckermünde, Mecklenburg-Vorpommern, bekommt eine in Vollzeit beschäftigte Pflegefachkraft ein Einstiegsgehalt von 2.000 Euro brutto, was bei einer 40-Stunden-Woche 11,50 Euro pro Stunde entspricht. Durch die von ver.di durchgesetzte Ausweitung des Mindestlohns auf Pflegefachkräfte erhält sie ab Juli 2021 immerhin 15 Euro und ab April 2022 15,40 Euro pro Stunde – eine Steigerung um fast ein Drittel.

Vergütung regional unterschiedlich

Die Bezahlung in der Altenpflege ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Während der Median, also der mittlere Wert der Vergütungen von Altenpflege-Fachkräften in Vollzeit, 2018 in Baden-Württemberg bei 3.169 Euro lag, waren es in Sachsen-Anhalt nur 2.329 Euro. Hilfskräfte verdienten mit 2.343 Euro in Nordrhein-Westfalen am meisten und mit 1.794 Euro in Sachsen am wenigsten. Das bedeutet: Eine Fachkraft in Westdeutschland hat vom neuen Mindestlohn in der Regel nichts, er wirkt sich auf ihr Einkommen nicht aus . Von den Pfleger*innen in Ostdeutschland wird hingegen etwa jede*r zweite profitieren, einige mit Lohnerhöhungen von mehreren hundert Euro im Monat.

"Das belegt: Die neue Untergrenze wirkt – auch wenn sie noch meilenweit von dem entfernt ist, was eigentlich nötig wäre", sagt Axel Weinsberg, der für die Tarifpolitik von ver.di in der Altenpflege zuständig ist. Er verweist zudem darauf, dass die Pflegekommission die schrittweise Ost-West-Angleichung und einen Urlaubsanspruch von mindestens 25 (2020) bzw. 26 (2021) Tagen im Jahr (bei einer Fünf-Tage-Woche) beschlossen hat – fünf bzw. sechs Tage mehr als gesetzlich vorgeschrieben. "Das sind Verbesserungen, doch die dringend nötige Aufwertung der Altenpflege steht noch aus. Deshalb streiten wir weiter für gute Tarifverträge", so der Gewerkschafter

Zum Beispiel in den Vitanas-Seniorenzentren Riesa und Bautzen, wo seit Jahresbeginn erstmals ein Tarifvertrag gilt. Dieser bringt Pflegefachkräften 150 bis 400 Euro mehr im Monat. Das Grundgehalt von Therapeut*innen steigt um 200 bis 340 Euro. Erreicht haben die Beschäftigten das, indem sich etliche in ver.di organisierten und aktiv wurden. So war es auch bei der Heim gGmbH im sächsischen Chemnitz, wo die Zahl der ver.di-Mitglieder von 55 auf über 200 angestiegen ist und zweistellige prozentuale Lohnerhöhungen durchgesetzt wurden. In den DRK-Seniorenzentren Kleeblatt im hessischen Maintal hat ein Warnstreik dazu geführt, dass die Gehälter schrittweise an das um 20 Prozent höhere Niveau des DRK-Reformtarifvertrags angeglichen werden. "Diese Erfolge zeigen, was Beschäftigte in der Altenpflege erreichen können, wenn sie sich gemeinsam für ihre Interessen stark machen", sagt Matthias Gruß, der in der ver.di-Bundesverwaltung für den Bereich Altenpflege zuständig ist.

Tarifvertrag für die gesamte Altenpflege

Dem Gewerkschafter ist jedoch klar, dass angemessene Löhne in den 15.500 Pflegeheimen und fast ebenso vielen ambulanten Pflegediensten nicht allein mit betrieblichen Protesten durchsetzbar sind. Deshalb verhandelt ver.di mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) über einen Tarifvertrag, der vom Bundesarbeitsministerium auf die gesamte Altenpflege erstreckt werden soll. "Dieser Tarifvertrag ist weiter dringend nötig, um Mindestbedingungen für alle festzuschreiben", erklärt Gruß. "Er bleibt trotz der Erhöhung des Mindestlohns ein wichtiges Ziel."

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