Kein Schutz vor Überfällen - ver.di fordert Sicherheitskonzepte fürs Personal

Die Überfälle hinterlassen bei den Verkäuferinnen ihre Spuren

Von Birgit Tragsdorf

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendwo in Deutschland eine Schlecker-Filiale überfallen wird. Wie steht es eigentlich um die Sicherheit der Läden und ihrer Verkäuferinnen? Beharrlich und dringend fordern Betriebsräte und ver.di Verbesserungen. So bereitet ver.di für den Einzelhandel einen Sicherheitstarifvertag vor, der auch mit Schlecker abgeschlossen werden soll.

Eine für alles

Alltag in einer typischen Schlecker- Filiale mit rund 200 Quadratmetern Verkaufsfläche: Der Arbeitstag beginnt offiziell um neun Uhr. Unsere Verkäuferin, nennen wir sie Gabi H.*, kommt eine halbe Stunde früher. Sie hat zu tun: Preisänderung, Warenrückruf, Fotoaufträge, Regale umräumen. Das wird erwartet und bleibt unbezahlt. Dann öffnet sie den Laden. Die meisten ihrer Kunden kennt sie seit Jahren. Es ist ein persönliches Einkaufen, von Verkäuferin und Kunden geschätzt. Sie arbeitet gern hier, die riesigen Märkte sind nicht ihr Ding. Die Chefin in Vollzeit und zwei Kolleginnen in Teilzeit decken die Verkaufszeiten von Montag bis Sonnabend ab. Gabi H. hat eine 17-Stunden-Woche. Da sie seit vielen Jahren dabei ist, verdient sie 12 Euro die Stunde, wer neu anfängt, bekommt 7,50 Euro. Gabi H. hat ein zweites Arbeitsverhältnis, sonst reicht es nicht zum Leben.

In den Märkten dieser Größe ist eine Verkäuferin allein im Laden. Nur an den Tagen der Warenannahme und Bestellung ist eine zweite Kollegin da. Die Verkäuferin macht alles selbst: Sie kassiert und füllt die Ware auf, die Regalreihen wegen Ladendiebstahls immer im Blick. Sie putzt - den Laden, Nebenräume, Schaufenster, das Umfeld. Wie sie zwischendurch Pause macht, auf die Toilette geht, soll unbeschrieben bleiben. Sie soll nicht noch mehr gefährdet werden.

Denn das eigentliche Problem bei Schlecker ist die Sicherheit. Das wissen längst auch die Täter. Fast immer funktionieren die Überfälle nach gleichem Muster: kurz vor Ladenschluss, mit dem Wissen, eine Verkäuferin ist allein. Die betriebsinterne Anweisung besagt: Einnahmen herausgeben, freundlich bleiben. Hat der Täter das Geschäft verlassen, die Polizei und den Bezirksleiter anrufen. Wenn ein Telefon da ist. Viele Filialen haben keins, angeblich um Privatgespräche zu vermeiden. Die Tageseinnahmen sollen sich zwischen 200 und 400 Euro bewegen. Schlecker ist versichert, der Verlust hält sich in Grenzen. Und die Verkäuferin?

Panik bei Dunkelheit

Die Kolleginnen gehen unterschiedlich damit um. Eine verarbeitet es gut, die andere bekommt bei Dunkelheit, unerklärbaren Geräuschen oder wenn jemand vor der Ladentür steht, Panik. Die Verkäuferinnen bleiben allein damit. Oder sie organisieren sich selbst Hilfe. So ruft eine kurz vor Ladenschluss eine Kundin an, die von ihrer Wohnung aus den Eingang des Marktes sehen kann und ihr berichtet, ob ihr etwas Verdächtiges auffällt. Schlecker hat weder Sicherheitskonzepte noch Opferbetreuung.

Nach langem Ringen gibt es bei Schlecker seit einigen Jahren auch Betriebsräte. Unsere Kollegin Gabi H. ist eine von sieben in den 52 Filialen ihrer Stadt. Sie verlangen von Schlecker Maßnahmen: Kameras nicht nur in den Gängen, um Ladendiebstahl zu verhindern, sondern auf die Kasse und den Eingangsbereich gerichtet. Ein Telefon gehört in jede Filiale und an die Tür ein akustisches Signal, damit die Verkäuferin hört, wenn jemand den Laden betritt. Schaut man in die Filialen, fällt auf, dass die Kassiererin meist mit dem Rücken zur Tür sitzt. *Name ist der Redaktion bekannt