Gekündigt werden nicht Beschäftigte, gekündigt werden Menschen

Kann man Theater über die Arbeitswelt machen? Man kann und auch noch brillant. Aus Anlass des 1. Mai lädt der DGB vom 28. bis 30. April, jeweils 20 Uhr, ins "Polittbüro" am Steindamm 45, wo Gilla Cremer ihr umjubeltes Stück "Mobbing" nach einem Roman von Annette Pehnt auf die Bühne bringt.

Aber Mobbing ist nur der Hintergrund, ein Abbild der immer rauer werdenden Arbeitswelt, gerade in Zeiten der Krise. Der Personalabbau in einem Unternehmen trifft den Mann unserer Romanfigur, aber mit ihm zugleich seine Frau und Kinder und über sie die Verwandten, Freunde, das gesamte Umfeld einer scheinbar gut gesicherten Mittelstandsexistenz mit Häuschen und Tanzunterricht für die Kinder. Aus der Perspektive der Ehefrau wird der Prozess der Vereinzelung, des Verlustes an Solidarität im Betrieb, die schrittweise Demontage des Vertrauens zwischen den Ehepartnern bis zum Rückzug der Freunde dargestellt. Alle werden in den Strudel mit hineingezogen.

Dabei geht es nicht um ein individuelles Schicksal. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes in einer Gesellschaft, in der sich der Einzelne immer stärker über seine Arbeit definiert, wird für den Gekündigten zum gesellschaftlichen Schuldvorwurf. "Irgend etwas muss er doch gemacht haben", sagt sie, der Gekündigte ist also Schuld an seiner Kündigung.

Der Prozess des Arbeitsplatzverlustes löst Angst aus, und Angst - wie Arbeitslosigkeit - ist wie ein Makel. "Wie ein Virus, von dem das soziale Umfeld instinktiv Abstand nimmt", sagt Gilla Cremer, die die Bühnenversion des Buches mit dem Regisseur Michael Heicks geschaffen hat. Die Individualisierung des ökonomischen Prozesses, das Fehlen kollektiver Widerstandsfähigkeit zerstört Schritt für Schritt Solidarität, Loyalität und Vertrauen. Schließlich funktioniert nicht mal mehr die Kommunikation zwischen den Ehepartnern.

Dies zu erkennen und nicht hinzunehmen, dazu fordert dieses Stück auf. Und deshalb ist es gerade zum 1. Mai so sehenswert.Frank Teichmüller

Eintritt 15 bzw. 10 Euro; Kartentelefon 28055467