Ausgabe 04/2009
Keine Schiffe - keine Arbeit
ver.di fordert konzertierte Aktion
Harald Bethge im Hafen von Bremerhaven
In den Bremer Seehäfen droht eine Entlassungswelle. Der jahrelange Umschlagsboom ist mit der Wirtschaftskrise vorerst Geschichte. Die Umschlagszahlen sind dramatisch zurückgegangen. So haben sich die Auto-Exportzahlen gegenüber dem Vorjahresquartal halbiert und der Containerbereich verzeichnet ein Minus von 25 Prozent. In Bremen und Bremerhaven sollen daher bis zum Jahresende bis zu 1400 Arbeiter des Gesamthafenbetriebsvereins (GHB) ihren Job verlieren. Die ersten 200 Zeitarbeitsverträge sind bereits ausgelaufen. Nicht davon betroffen sind derzeit die rund 3000 Hafenarbeiter der BLG Logistics Group (BLG) und bei Eurogate. Aber auch dort droht in den nächsten Monaten Kurzarbeit. Beim North Sea Terminal (NTB) gibt es noch ausreichend Arbeit. Ein Interview mit Harald Bethge, ver.di-Fachbereichsleiter Häfen.
ver.di PUBLIK | Die Arbeitsplätze im GHB galten als sicher. Jetzt sollen 800 befristete Verträge nicht verlängert werden und 600 Festangestellte müssen mit der Kündigung rechnen.
Bethge | Bis zum Herbst hatte der GHB noch 2800 Leute unter Vertrag, derzeit sind es 2500. Der Verein fungiert als Beschäftigungspool, mit dem die Hafenwirtschaft ihre täglichen Arbeitsschwankungen ausgleicht; bei gleichem Lohn und gleichen Rechten. Die Unternehmen können dort sowohl Personal für einfache Lagerarbeiten abrufen wie auch Gabelstaplerfahrer oder Experten zur Bedienung der Containerbrücken. Hauptabnehmer sind die BLG, Eurogate und NTB. Tatsächlich aber haben die Hafenbetriebe inzwischen nur noch Arbeit für rund 1200 Hafenarbeiterinnen und Hafenarbeiter.
ver.di PUBLIK | Der GHB hat die Arbeiter aus einer Garantielohnkasse bezahlt?
Bethge | Ja, diese Garantielohnkasse wurde von den Hafenunternehmen gespeist und enthält momentan 13 Millionen Euro. Spätestens im August läuft sie aber leer.
ver.di PUBLIK | Muss ver.di wegen der besonderen Trägersituation des Vereins also den Kündigungen zustimmen?
Bethge | Nein. Aber in einer solchen Situation haben wir gemeinsam mit den Vertretern der Hafenbetriebe die Notlage festgestellt und die Geschäftsführung zur Aufnahme von Verhandlungen mit dem Betriebsrat in Sachen Interessenausgleich und Sozialplan autorisiert. Dass 800 befristete Verträge bis Jahresende auslaufen, steht fest. Aber bei den 600 betriebsbedingten Kündigungen werden wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen.
ver.di PUBLIK | Wie könnten Lösungen denn aussehen?
Bethge | Das Instrument Kurzarbeit könnte bei den Hafenbetrieben solidarisch eingesetzt werden, um beim GHB Arbeit zu sichern. ver.di fordert aber auch eine konzertierte Aktion und einen runden Tisch mit der Hafenwirtschaft und der Politik. Nicht nur auf Landesebene, sondern auch auf Bundesebene muss gehandelt werden. Wir brauchen einen "Schutzschirm" für die gesamte maritime Wirtschaft. Das Arbeitsplatzproblem in allen Häfen muss gelöst werden. Allein in den Bremer Häfen und in der Seehafenlogistik sind 6000 Menschen beschäftigt.
ver.di PUBLIK | Wie sieht es in den anderen niedersächsischen Häfen aus?
Bethge | In Emden und Nordenham ist die Lage nicht ganz so dramatisch. Aber in Brake ist der Umschlag bei Futtermitteln um 20 Prozent zurückgegangen. Zudem sind Kurzarbeit und Entlassungen beim Stückgutumschlag zu vermelden. Nordenham verzeichnet Rückgänge bei der Verladung von Stahl.