Ausgabe 04/2009
Mein Arbeitsplatz: Jim St. Louis
Ideen noch vor Mitternacht
Jim St.Louis, Detroit, Agitator bei den Teamsters, der Gewerkschaft der Transportarbeiter, mit 1,4 Millionen Mitgliedern die größte Einzelgewerkschaft der USA
Wenn ich arbeite, wache ich früh gewöhnlich in einem Motel auf. Ich reise im Land herum. Als Agitator und Kampagnen-Koordinator der Teamsters muss ich nicht in meinem Büro in Detroit sitzen. Mein Job ist es, gemeinsam mit meiner Recherche-Abteilung lokalen Gewerkschaftern bei der Strategieentwicklung zu helfen.
Ich bin für eine unserer 19 Abteilungen zuständig, die der Lagerarbeiter und Fahrer. Die rufen mich an, wenn irgendwo ein Tarifvertrag ausläuft und noch keine neue Einigung erzielt wurde. Gestern sagte mir ein Kollege am Telefon, er habe nur noch bis Mitternacht Zeit, dann laufe der Gruppenvertrag aus. In solchen Fällen muss ich schnell mit Verhandlungsideen helfen.
Manchmal bin ich in fünf Städten fast gleichzeitig unterwegs, wenn der Tarifvertrag einer Firma mit verschiedenen Standorten ausläuft. Neulich wurde ich von Austin, Texas, eilig nach Buffalo, New York, gerufen, weil die organisierten Ambulanzfahrer dort Probleme mit der Stadtverwaltung hatten. Ich habe mit den lokalen Teamsters eilig eine Pressekonferenz auf den Stufen des Rathauses organisiert, Gewerkschaftssympathisanten und Gruppen angerufen und sie gebeten vorbeizukommen. Außerdem haben wir Leute durch die Stadt geschickt, die Unterschriften für eine Petition gegen Lohnkürzungen der Ambulanzfahrer sammeln sollten. Die Fahrer stehen psychisch unter Druck. Sie müssen Leben retten und werden bestraft, wenn sie ein Stoppschild übersehen. Wenn sie zu abrupt bremsen, geht in der Fahrerkabine eine Kamera an und zeichnet ihr Verhalten auf, das wird dann gegen sie verwendet. Und sie bekommen nur 9,25 US-Dollar pro Stunde.
Sprich mich nicht auf der Straße an
Seit anderthalb Jahren bin ich Koordinator, davor habe ich 15 Jahre als Agitator gearbeitet, mir den Mund fusselig geredet. Das bedeutete: morgens um sieben die Arbeiter vor den Werkstoren ansprechen, Zettel verteilen. Rauskriegen, wo die Schicht frühstückt oder Bier trinkt, sie dort ansprechen, erklären, welche Vorteile es hat, organisiert zu sein. Ich musste viel lernen. Dass man als Weißer die Mexikaner hier in den Betrieben nicht einfach so ansprechen kann. Die sind misstrauisch, außerdem haben sie noch größere Angst davor, gefeuert zu werden, als die US-Arbeiter, weil viele illegal hier sind. Es kommt häufig vor, dass Arbeiter gefeuert werden, sobald bekannt wird, dass sie Kontakt zur Gewerkschaft haben. Immer wieder sagten mir Leute: "Ich unterstütze euch, aber sprich mich nie wieder auf der Straße an, komm nicht zu mir nach Hause."
Mit Obama haben wir endlich wieder einen Präsidenten, der Gewerkschaften und Tarifverhandlungen für notwendig erachtet und das sagt. Mitglied in einer Gewerkschaft zu sein, halten viele Amerikaner für unanständig, das haben ihnen die Republikaner eingetrichtert. Gott, bin ich froh, dass das nun anders wird.