Benzin ist wieder billiger geworden. Die Bundesregierung unterstützt die Verschrottung fahrtüchtiger Autos, um den Absatz von Neuwagen anzukurbeln, und der Bau neuer Straßen ist ebenfalls ein zentraler Punkt ihres Konjunkturprogramms. All das nährt die Illusion, dass in puncto Auto im Prinzip alles so weitergehen wird wie bisher. Doch das ist unmöglich - nicht nur aus Klimaschutzgründen

Zwei Pferde begrüßen vier PS beziehungsweise drei Kilowatt akkubetriebenes Elektromobil. TWIKE kann auch per Pedal angetrieben werden

Von

ANNETTE JENSEN

Der Ölpreis wird steigen - und zwar rasant. Sobald die Konjunktur wieder anzieht, sind nicht nur Preise wie im vergangenen Sommer wahrscheinlich. Manche Experten gehen sogar davon aus, dass Sprit bald noch viel teurer sein wird als im Juli 2008. Das hat physikalische Gründe: Schon lange bevor ein Erdölfeld leer gepumpt ist, lässt sich immer weniger pro Tag daraus fördern. Die großen Lagerstätten im Nahen Osten haben diesen Punkt zum Teil wohl schon erreicht oder sind kurz davor; in der Nordsee und den USA ist der Zenit seit längerem überschritten. Zwar hoffen viele Leute, dass die Ausbeutung von Ölsanden Ersatz bringen wird. Doch diese Technik ist nicht nur extrem umweltschädlich, sondern auch teuer. So rechnet selbst die Internationale Energieagentur damit, dass das Barrel Erdöl in vier Jahren über 200 Dollar kosten wird, nachdem es im vergangenen Sommer erstmals auf knapp 145 Dollar geklettert war. Biosprit ist ebenfalls kein Ausweg: Der Platzbedarf ist enorm und würde unweigerlich zu sehr vielen Hungertoten führen.

Die deutsche und US-amerikanische Autoindustrie hat sich in den letzten Jahren um solche Fragen nicht geschert. Im Trend lagen schwere Luxuslimousinen und Geländewagen - ausgestattet mit Stereo- und Klimaanlage, Satellitenortung und anderem elektronischen Schnickschnack. Nicht selten bringen diese Spritschlucker 2,5 Tonnen Material auf die Waage, um damit in der Regel einen Menschen mit durchschnittlich 80 Kilo Körpergewicht zu transportieren. Mit solchen Protzkarossen lässt sich viel mehr verdienen als mit kleineren Wagen: Verkauft VW einen einzigen Touareg, erzielt das Unternehmen damit etwa so viel Gewinn wie für 20 Autos vom Typ Golf.

Die Bundesregierung hat diesen Trend mit ihrer Förderung von Dienstwagen massiv unterstützt. Und obwohl sich der Spritverbrauch bei 200 Stundenkilometern im Vergleich zu Tempo 100 mehr als verdoppelt und Modelle wie der Porsche Cayenne dann mehr als 25 Liter fressen, sind Geschwindigkeitsbegrenzungen in Deutschland tabu, als handele es sich um eine Kastrationsdrohung.

Inzwischen aber stehen Großwagen überall auf Halde - und klar ist, dass es zu viele Anbieter von Luxuswagen auf dem Weltmarkt gibt. Nicht nur die Abwrackprämie kommt vor allem den Herstellern von billigen Kleinwagen zugute. Auf den Hauptmärkten der Zukunft - Indien und China - sind ebenfalls 5000-Euro-Autos gefragt. Deren Besitzer werden sich zwar auch bald mit hohen Spritpreisen konfrontiert sehen. Die Hoffnung aber, dass viele Menschen dort - oder hier - deswegen aufs Auto verzichten, hält Verkehrswissenschaftler Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) für verfehlt. So nahm beispielsweise in Tschechien kurz nach der Wende die Motorisierung extrem zu, obwohl der Liter Benzin damals einer Kaufkraft von acht Mark entsprach.

Neue Technik

Die großen Autokonzerne versuchen derzeit, Fördermittel für die Entwicklung von Elektrofahrzeugen abzugreifen. Dabei ist die Technik keineswegs neu: Eine kleine Ingenieursgruppe aus dem Schwarzwald hatte bereits Anfang der 90er Jahre den Hotzenblitz gebaut, ein voll straßentaugliches Elektromobil mit 16 PS. Toyota bietet seit einer Weile den Prius an - ein Hybridfahrzeug, das zwischen Elektro- und Benzinantrieb umschalten kann. Rechnet man die Strommenge in Sprit um, ist der Energiebedarf beim Elektroantrieb insbesondere im Stadtverkehr deutlich günstiger, weil die Bremsenergie quasi wieder eingesammelt wird.

Aus umweltpolitischer Sicht aber machen Elektroautos nur Sinn, wenn sie mit sauberem Strom betrieben werden. Hinzu kommt, dass sie auch künftig kaum mehr als 150 Kilometer schaffen werden, bevor sie wieder für sechs bis acht Stunden an die Steckdose müssen. Das ist im Prinzip kein Problem: Die meisten Autos stehen eh über 23 Stunden am Tag irgendwo herum. Doch die lange Ladezeit droht das Freiheitsversprechen zu vernichten, das der zentrale Vorteil des Autos gegenüber Bus und Bahn ist: jederzeit einsteigen und losfahren zu können.

In Israel und Kalifornien laufen gerade erste Versuche mit Wechselbatterien. So wie Kutscher früher regelmäßig ihre Pferde wechselten, so sollen an den "better place" genannten Stationen frische Batterien vorrätig sein, die innerhalb weniger Momente ausgetauscht werden können.

Diskutiert wird derzeit auch, Elektroautos als Batterien für überschüssigen Ökostrom zu nutzen. Weil Sonne und Wind mal viel und mal wenig Strom liefern, gibt es bei der Einspeisung große Schwankungen. Das hat vor Weihnachten sogar schon einmal dazu geführt, dass Elektrizität an der Leipziger Strombörse einen negativen Preis erzielte - Nutzer also Geld dazu bekamen, wenn sie Strom abnahmen, weil das Abschalten von Kraftwerken für die Erzeuger noch teurer geworden wäre. Steigt der Anteil regenerativer Energien weiter, wird sich dieses Problem verschärfen. Besonders sinnvoll wäre es deshalb, wenn die Elektroautos in Zeiten mit hohem Stromangebot geladen würden. "Da ist aber technisch noch sehr vieles ungelöst, und unklar ist auch, ob die Leute das akzeptieren," dämpft Weert Canzler allzu große Begeisterung. Zusammen mit einigen Kollegen sucht er gerade eine mittelgroße Kommune für einen Feldversuch. Ähnlich wie in 40 deutschen Städten Leihfahrräder der DB herumstehen, die nach der Nutzung wieder irgendwo abgestellt werden können, wollen die WZB-Forscher das auch mit Elektrofahrzeugen ausprobieren.

Neue Besitzverhältnisse

Würde sich so etwas im großen Stil durchsetzen, hätte der private Autobesitz weniger Vorteile als bisher: Der Wunsch, jederzeit losfahren zu können, ließe sich auch mit Gemeinschaftsautos befriedigen. Aus städtebaulicher Sicht ist Carsharing sowieso viel günstiger, weil weniger Parkplätze benötigt werden. Gegenwärtig sind hierzulande fünf Prozent des Bodens asphaltiert, und Tag für Tag werden weitere 113 Hektar mit Straßen und Gebäuden zugebaut. Es leuchtet ein, dass auch das nicht so weitergehen kann.

Verkehrsinfrastruktur und Autoflotte haben sich in den vergangenen Jahrzehnten gegenseitig hochgeschaukelt. Fuhren 1966 noch zehn Millionen Pkw in Deutschland herum, so waren es 1977 schon doppelt so viele. 1990 wurde die 30-Millionen-Marke erreicht und inzwischen sind über 41 Millionen Autos gemeldet. Möglich wurde dieses ungeheure Wachstum nur dadurch, dass immer mehr und immer breitere Straßen gebaut wurden. Erst so konnten viele Menschen im Grünen wohnen und zum Arbeiten in die Stadt pendeln. Die Speckgürtel der Städte wuchsen, der Verkehr schwoll an - und weitere Städter verspürten den Wunsch, dem Lärm zu entfliehen und ebenfalls hinauszuziehen. Billiges Bauland, staatliche Eigenheimzulage und Pendlerpauschale förderten diese Massenbewegung. So wurden die täglich zurückgelegten Strecken immer länger und energieaufwändiger. Und weil sich die Wege - auch aufgrund moderner Arbeitsorganisation - zunehmend individualisierten, ließen sie sich weniger in Bussen und Bahnen bündeln. So nutzen heute in ländlichen Regionen fast nur noch Schüler und Alte öffentliche Verkehrsmittel. Acht Millionen Menschen in Deutschland können keinen Lebensmittelladen mehr zu Fuß erreichen.

Diese Entwicklung umzudrehen ist äußerst schwierig. Wer ein Auto besitzt, hat seinen Alltag völlig darauf eingestellt, und auch die Siedlungsstrukturen lassen sich nur sehr langsam verändern. Zwar prognostiziert der Architekt und Experte für Bevölkerungswanderungen, Philipp Oswalt: "In Deutschland werden in Zukunft viele Einfamilienhausgebiete einen großen Niedergang mit erheblichen Leerständen erleben." Vor allem in abgelegenen Siedlungen werde der Alltag teuer. Doch das hat noch nichts daran geändert, dass sich selbst Städte mit schrumpfenden Bevölkerungszahlen in den letzten Jahren immer weiter in die Landschaft hineingefressen haben.

Dass das Auto wie nichts anderes in modernen Zeiten unsere Umgebung geprägt hat, führt der Wiener Verkehrswissenschaftler Hermann Knoflacher vor allem darauf zurück, dass es ständig abfahrbereit vor der Tür steht. Er schlägt deshalb vor, dass jeder Parkplatz mindestens so weit von der Haustür entfernt sein sollte wie die Bushaltestelle. Außerdem sei nicht einzusehen, dass die Allgemeinheit öffentlichen Grund dafür zur Verfügung stellt - und das in der Regel kostenlos. Diese Kritik versuchen die Bewohner des Freiburger Stadtteils Vauban umzusetzen: Wer dort ein Auto besitzt, muss für 20000 Euro einen Stellplatz in der am Rande gelegenen Gemeinschaftsgarage kaufen. Derweil können die Kinder ohne Gefahr zwischen den Häusern toben, und alle paar Minuten fährt eine Straßenbahn mitten im Stadtteil los. Tatsächlich besitzen in Vauban viel weniger Familien ein Auto als im Bundesdurchschnitt.

Neue Geschäftsmodelle

Dennoch wird sich die lang gehegte Hoffnung vieler Bus-, Bahn- und Radfreunde, dass Stau, Klimaerwärmung und hohe Benzinpreise das Auto zum Auslaufmodell machen, wohl nicht so schnell erfüllen. Zu groß sind die Vorteile für die Nutzer. Die liegen nicht nur darin, jederzeit trocken von A nach B zu kommen, sondern auch einen Raum zu haben, in dem man die Lieblingsmusik aufdrehen oder einfach mal allein sein kann. Immerhin ist aber die Bedeutung des Autos als Statussymbol gesunken. Das eröffnet bessere Chancen für Gemeinschaftsfahrzeuge. Wie man die am besten organisiert, ist eine Frage innovativer Dienstleistungen. "Gute Ideen dazu kommen aber bestimmt nicht aus Detroit oder Stuttgart", ist Weert Canzler überzeugt. Schließlich glaubten die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der großen Autokonzerne, dass man in die 2,5-Tonnen-Karossen nur einen Elektromotor einbauen muss - und dann könne alles so bleiben wie bisher. So aber wird die Zukunft des Autos mit Sicherheit nicht aussehen.