Ausgabe 05/2009
Autobauer ans Chrysler-Steuer
Autobauer ans Chrysler-Steuer
Gewerkschaft soll erstmals insolventen Konzern übernehmen
US-Gewerkschafter sind keine Befürworter eines Insolvenzverfahrens, folgten denen bei Fluggesellschaften und Stahlkonzernen im letzten Jahrzehnt doch meist erhebliche Einschnitte bei Gehältern und Rentenplänen. Nun soll alles anders sein: Die United Auto Workers (UAW) soll beim in die Insolvenz gehenden US-Autokonzern Chrysler das Steuer übernehmen. Präsident Barack Obama beschloss Anfang Mai, dass die UAW in Gestalt ihres Pensionsfonds VEBA mit 55 Prozent Beteiligung Hauptanteilseigner des Konzerns werden soll, an dem sich auch Fiat mit 20 und die US-Regierung mit acht Prozent beteiligen wird. Die Regierung betritt damit Neuland; nie zuvor hat sie sich so direkt in die Geschicke der privaten Industrie eingemischt. Experten können bislang nicht sagen, ob das angesichts der Rezession ein guter Schritt ist. Seltsam scheint, dass das Weiße Haus, das mit konservativen Kritikern die UAW und ihre Tariflöhne zum Teil des Problems der US-Autoindustrie erklärt hatte, nun ausgerechnet diese vermeintlichen Kostentreiber an der Rettungsaktion beteiligen will.
Optimisten halten das für eine Chance und sagen, die Regierung wolle das Insolvenzverfahren nicht dazu nutzen, die Gewerkschaft auszuschalten. Schließlich sei es noch nie vorgekommen, dass die Rentenansprüche der Arbeiter und Angestellten über das Insolvenzverfahren hinaus staatlich garantiert wurden und von neuen Eignern akzeptiert werden mussten.
Pessimisten glauben, dass es sich um den Anfang vom Ende des betrieblichen Renten- und Krankenversicherungsmodells handelt, wie es die US-Autoindustrie kennt. Zwar garantiert das Finanzministerium der UAW die Sicherheit ihres Fonds. Doch könnten sich die 55-Prozent-Beteiligung und die Chrysler-Aktien in Rauch auflösen, sollte der Konzern es trotz Umstrukturierung nicht schaffen. Die Arbeiter verlören dann die Hälfte ihrer Rentenansprüche, auch mit staatlicher Garantie. Die Chancen, dass Chrysler ein Comeback schafft, stehen nur bei 50 Prozent. Der Konzern muss zwei Jahre auf die von Fiat für den US-Markt entwickelten Sparmodelle warten, derweil fallen die US-Verkaufszahlen.
UAW-Präsident Ron Gettelfinger sieht die Lage dennoch positiv. Natürlich habe die UAW für den Deal Lohnkürzungen und Zulagensenkungen einstecken müssen. "Wir gehen aber nicht in dieses Insolvenzverfahren, um mit Chrysler, Fiat und dem Finanzministerium zu streiten. Im Gegenteil, wir sind Partner", erklärt er seine Zuversicht. Er weiß, dass es ein Drahtseilakt wird. Nach der wirtschaftlichen Erholung des Konzerns will die UAW ihre Chrysler-Aktien verkaufen und hofft dabei sogar auf einen Gewinn. A. Woltersdorf