Ausgabe 05/2009
Kein Sex, bitte!
Kein Sex, bitte!
Hannah Montana - Der Film | Tagsüber ein ganz normaler Teenager, abends gefeierter Popstar: Das anstrengende Doppel-Leben von Miley Stewart alias "Hannah Montana" machte Hauptdarstellerin Miley Cyrus zum Weltstar und ist die aktuell erfolgreichste TV-Serie aus dem Disney-Unterhaltungskonzern. Eine Kinoauswertung war da unvermeidlich.
In Hannah Montana - Der Film steigt Miley ihr Hannah-Ruhm zu Kopf, und als sie sich mit Supermodel Tyra Banks um ein Paar Pumps prügelt, verfrachtet Billy Ray Stewart/Cyrus, in Personalunion Vater, Mentor und Manager, sie zurück in die alte Heimat, ein langweiliges Kuhkaff in Tennessee. Dort wird das verwöhnte Starlet erwartungsgemäß wieder geerdet, von der Oma in die Arme geschlossen, lernt Familien- und Landleben wieder schätzen und verguckt sich - natürlich - in einen aparten Nachwuchscowboy.
Das hat durchaus autobiografische Züge: Denn Miley Cyrus ist zwar erst 16 Jahre alt, aber der leuchtendste Stern im Portfolio der Walt Disney Company. Das Jahreseinkommen des Teenagers liegt über 20 Millionen Dollar und das Time-Magazin platzierte sie unter den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt auf Platz 59.
Der Film zur Fernsehserie ist perfekte Hollywood- Unterhaltung mit Hang zur Tränendrüse, vor allem aber ein weiterer Baustein in der flächendeckenden Gesamtversorgung des präpubertären Zielpublikums mit "Hannah Montana". Die Produktpalette umfasst neben Film und Fernsehserie auch Merchandising, Musik und Lifestyle: DVDs, CDs, Filzstifte, Puppen, Handtaschen, Internet-Community und sogar die Pauschalreise, alles aus einer Hand. Disney hat sich in den letzten Jahren vom reinen Film- und Fernseh-Produzenten zum Mischkonzern gewandelt, der alle Konsumbedürfnisse seiner Zielgruppe abzudecken in der Lage ist.
Dabei weitet sich das Angebot weiter aus, aber ob Hannah Montana, Camp Rock oder High School Musical: Gemeinsam ist dem klinisch sauberen Spaß aus dem Disney-Konzern vor allem die katholische Keimfreiheit. Nikotin, Alkohol und Drogen existieren ebenso wenig wie Homosexualität, das Internet, Armut oder ernsthafte Probleme mit den Eltern. Zukunftsängste werden mit Nebensätzen vertrieben, Selbstfindung eben mal abgewickelt. Zwischen Schwarz und Weiß gibt es Freundschaft, aber keine Liebe. Und die Liebe hat nicht einmal sexuelle Untertöne. Da bergen selbst die animierten Kinderfilme aus dem Hause Disney mehr Realitätsbezug und Konfliktpotential.
Thomas Winkler
USA 2009, R.:Peter Chelsom; D.: Miley Cyrus, Billy Ray Cyrus, Emily Osment, u.a., L.:102 Min., Kinostart: 1.6.09
Die Besucherin | Eine verlassene Wohnung, eine introvertierte Wissenschaftlerin, die diese in Besitz nimmt, zwei schwere Unglücke und ein toter Wellensittich: Lola Randl verbindet gekonnt Thrillerelemente mit einem sehr wirklichkeitsnahen Blick auf Entfremdungsprozesse in ganz normalen Familien. Jeder interessiert sich nur für sich selbst, Mutter Agnes vermag noch nicht einmal einzuschätzen, ob ihr Kind vor der Lehrerin lügt, und verbringt bald mehr Zeit in der fremden Wohnung, in der sie eigentlich nur Blumen gießen soll. Und so wächst hier die Spannung durch das unverhoffte Zusammentreffen zwischen "Besucherin" und Bewohner. Der weckt bei der schweigsamen Forscherin sexuelle Fantasien. Dass sie am Ende vor den Trümmern ihrer Ehe steht, ist vielleicht ihre Schuld, aber darum geht es nicht. Randl interessiert sich für den Typ einer unabhängigen, beruflich erfolgreichen Frau, die nicht aus Frust, sondern aus Lust in eine Parallelwelt flüchtet. KL
R: Lola Randl, D: Sylvana Krappatsch, Samuel Finzi, André Jung, Jule Böwe. 104 Min., Kinostart: 14.5.2009
Elektrokohle (von wegen) | An einem Tag in dieser Zeit, so schien es damals, konnte alles passieren. Geschichte wurde gemacht, Leben entschieden, Staaten von der Landkarte getilgt. Und eine laute, auf Schrott hämmernde Avantgardeband aus dem Westen Berlins fuhr in die Hauptstadt der DDR, um ihr erstes Konzert zu geben im Arbeiter- und Bauernstaat. Regisseur Uli M. Schueppel war mit seiner Kamera dabei am 21. Dezember 1989, als die Einstürzenden Neubauten nach Ostberlin reisten, um im VEB Elektrokohle aufzutreten. Zwei Jahrzehnte ging Schueppel für Elektrokohle (von wegen) mit damaligen Konzertbesuchern noch einmal deren Wege zum Konzert nach: mit dem Koch aus dem Palasthotel, der Assistentin von Heiner Müller, der eine französische Ministerriege zum Konzert schleppte, oder dem Offiziersanwärter, der sich unerlaubt entfernte, um Blixa lärmen zu sehen. Die Aufnahmen von damals und heute verbinden sich, dank einer geschickten Montage, zu einem faszinierenden Rückblick auf eine Zeit, in der alles möglich schien.
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Dokumentation, D 2008, R.: Uli M. Schueppel, D.: EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, u.a., L.: 91 Min., Kinostart: 28.5.09