Gespräch mit Almina Kadic über ihre Arbeitsbedingungen und die Entwicklungen im Handel

Im Juni wird es in München eine "Woche der Solidarität" mit den Beschäftigten im Handel geben. ver.di will damit auf die Lohn- und Arbeitsbedingungen in diesen Branchen aufmerksam machen. Almina Kadic ist 25 Jahre alt und arbeitet als Verkäuferin bei "Kaufhof" am Rotkreuzplatz. Seit neun Jahren ist sie als Verkäuferin in Vollzeit tätig. Wir sprachen mit ihr über ihre Arbeitssituation.

ver.di PUBLIK | Wie haben sich die Anforderungen im Arbeitsalltag der Verkäuferinnen in den letzten Jahren verändert?

ALMINA KADIC | Die Anforderungen sind eigentlich dieselben wie früher. Allerdings haben wir viel weniger Mitarbeiter als früher. Von denen, die da sind, wird aber mehr verlangt. Die anfallende Arbeit muss trotz weniger Personal erledigt, die Kunden beraten und der Umsatz erreicht werden.

ver.di PUBLIK | Stimmt es, dass im Handel Vollzeitstellen abgebaut wurden?

KADIC | Das stimmt leider. Zeitverträge werden nicht verlängert, freie Stellen nicht nachbesetzt. Azubis haben eigentlich keine Chance, übernommen zu werden. So viel ich weiß, werden dieses Jahr bei uns keine Azubis eingestellt. In der Öffentlichkeit wollen wir uns im besten Licht zeigen, nur frage ich mich: Wie soll das gehen, wenn kaum Mitarbeiter da sind?

ver.di PUBLIK | Tarifverhandlungen im Einzelhandel sind zunehmend schwieriger geworden in den letzten Jahren. Die Verhandlungen 2007/2008 dauerten 15 Monate. Es ist der Eindruck entstanden, dass die Beschäftigten Angst haben und deshalb nicht für ihre Forderungen streiken. Gibt es Gründe für diese Angst?

KADIC | Da muss ich eigentlich sagen, dass wir in unserem Haus keine Angst haben. Wovor denn auch? Unser Betriebsrat steht voll und ganz hinter uns, und wir Mitarbeiter stehen zu unserem Betriebsrat. Von unserer Geschäftsleitung kamen, soweit mir bekannt ist, niemals Drohungen oder Ähnliches an die Leute, die sich an Streiks beteiligt haben.

ver.di PUBLIK | Die Einkommen sind in den letzten Jahren für die Verkäuferinnen kaum gestiegen. Was bedeutet das für die Motivation?

KADIC | Die Motivation sollte nicht nur vom Einkommen abhängig sein. Wenn man aber bedenkt, dass man allein oder zu zweit die gleiche Arbeit macht wie früher zu fünft und dafür nicht belohnt wird, dann sinkt die Motivation schon.

ver.di PUBLIK | Welche Verbesserung würdest du dir für deinen Arbeitsplatz wünschen?

KADIC | Spezielle Wünsche habe ich nicht, wer soll die denn erfüllen? Wenn ich könnte, würde ich mir humanere Arbeitszeiten wünschen. Ich verbringe den ganzen Tag bis spät in den Abend in der Arbeit, da sinkt die Lebensqualität sehr.

ver.di PUBLIK | Das Buch "Die Leiden einer jungen Kassiererin" der Französin Anna Sam ist ein Kassenschlager. Haben es Verkäuferinnen besser als Kassiererinnen?

KADIC | Ich habe das Buch gelesen. Ich könnte locker auch eins schreiben. Man erlebt täglich unfassbare Situationen. Ich finde, dass es Verkäuferinnen auf gar keinen Fall besser haben. Wir beraten die Kunden und müssen nebenbei die Abteilungen sauber halten, Ware nachfüllen und so weiter. Die Kassiererinnen beenden "nur" den Kauf.

ver.di PUBLIK | Und was gefällt dir an deiner Arbeit am besten?

KADIC | Die Abwechslung. Man stellt sich auf die Kundenwünsche ein und lernt viele neue Seiten kennen.

INTERVIEW: TINA SCHOLZE