Bei allem Verständnis

Die Tageszeitung, 24. Juni 2009

Das hat noch gefehlt. Jetzt streiken also Eltern, um streikende Kita-ErzieherInnen vom Streiken abzuhalten. (...) Bei allem Verständnis für die Nöte berufstätiger Väter und Mütter, die auf eine zuverlässige Kinderbetreuung angewiesen sind: Sie tun ihrem Anliegen mit ihren Demos keinen Gefallen, im Gegenteil. Durch den unsolidarischen Protest schaden sie den ErzieherInnen, die Tag für Tag mit hohem Einsatz ihre Kinder betreuen. Und die dafür mehr schlecht als recht bezahlt werden. Denn die Eltern bekämpfen die Beschäftigten, die eh schon Druck von den Arbeitgebern bekommen, an einer zweiten Front.


Gieriges Gaunergezücht

Der Tagesspiegel, 5. Juli 2009

Die Kanzlerin in Bayreuth, aber kein Tristan und keine Isolde? Die Klassik-Society aus aller Welt, die teuer zahlt und keinen "Ring" dafür bekommt? Nicht auszudenken: Die Gewerkschaft Verdi (...) droht zur Eröffnung der Bayreuther Festspiele am 25. Juli mit Streik. Das gab es noch nie. Das Fußvolk, die Festspiele, die Gewerkschaft - wer verdient was? Der Wagnerianer kennt den Zank um Fron und Lohn aus Wagners "Rheingold". "Träges Heer, dort zuhauf schichtet den Hort", quält Alberich die Nibelungen - um bald darauf von Gottvater Wotan höchstselbst um den Profit geprellt zu werden. In Bayreuth ist die Sache ähnlich vertrackt: (...) die Erhöhung der Personalkosten könne aber nur durch Verteuerung der Karten und Erhöhung der Subventionen ausgeglichen werden. "Gieriges Gaunergezücht", schimpft Alberich seinen Chef Wotan.


Auf den Plan gerufen

Berliner Zeitung, 18. Mai 2009

Wenn der Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann mitten in der Finanzkrise abermals von 25 Prozent Rendite spricht, ruft das die Gewerkschaften auf den Plan. Nicht nur weil die Ankündigung von Gier zeugt, sondern weil sie ein Zeichen setzt: Es geht so weiter wie bisher. Das aber wollen die Gewerkschaften auf jeden Fall verhindern. Sie befürchten dabei, den richtigen Zeitpunkt für die Diskussion um gerechtere Strukturen in der Marktwirtschaft zu verpassen. Skeptisch beobachten sie deshalb, wenn die Akteure auf den Märkten sich so verhalten, als sei nichts geschehen.