Ausgabe 06/2009-07
...wähle!
... wähle!
Meckern reicht nicht. Wenn es um Mindestlohn, Tarifautonomie, um Arbeitnehmerrechte insgesamt geht, liebe Kollegin, lieber Kollege, geh' zur Wahl. Jede fehlende Stimme ist eine Stimme für weniger Arbeitnehmerrechte
Wir geben als Gewerkschaften keine Parteienempfehlung, aber wir haben unsere Themen und Fragen. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir die Antworten der drei kleineren Parteien DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die FDP. In der nächsten Ausgabe kommen dann die CDU und die SPD dran.
Der Neoliberalismus ist auf ganzer Linie gescheitert und wir stehen vor einem politischen Epochenbruch. Die Finanzmarktkrise hat sich zu einer Weltwirtschaftskrise ausgeweitet mit dramatischen Wirkungen. Die Folgen sind auch hier in Hamburg deutlich zu spüren. Kurzarbeit und Qualifizierung sind ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Entlassungen. Was wir brauchen, ist aber ein grundlegender Politikwechsel. Der Mensch muss wieder in den Mittelpunkt, nicht die Wirtschaft.
Wie arbeiten die Parteien die Ursachen der Krise auf, welche Politikkonzepte verfolgen sie zur Überwindung der Krise? Fakt ist, dass diese Krise ihren Ursprung in der Deregulierung der Märkte hat. Nun gilt es, das Primat der Politik gegenüber der Wirtschaft durchzusetzen.
Prüfe die Antworten und die Argumente, schätze ein, welche Programme und Kandidat/innen Du unterstützen willst, und dann gibt es nur eins, ... wähle!
Jan van Aken, Die Linke
Jan van Aken, Die Linke
In diesen Wochen überschattet die Krise alles. Kurzarbeit und Hartz IV rücken für viele Menschen bedrohlich nahe. Niemand - auch DIE LINKE nicht - kann diese Krise einfach wieder wegzaubern und für den Tag nach der Wahl ein goldenes Leben für alle versprechen.
Aber wir brauchen ein sozial gerechtes Antikrisenprogramm, das jetzt wirklich bei den Menschen ankommt. Ich trete dafür ein, dass staatliche Hilfen für Unternehmen an die Übertragung von Eigentumsrechten gekoppelt werden. DIE LINKE will im Öffentlichen Dienst eine Million dringend benötigte unbefristete Arbeitsplätze in den Bereichen Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheit, Sozialwesen und Kultur sowie 500 000 öffentlich geförderte Arbeitsplätze schaffen. Der Bezug des ALG I muss verlängert, das ALG II sofort auf 500 Euro angehoben werden. Wir wollen das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent anheben und auf 24 Monate verlängern. Altersteilzeit sollte gefördert werden.
Seit zwei Jahrzehnten kannte die Politik nur eine Richtung: Die Löhne der Beschäftigten sollten sinken, und sie sind gesunken. Die Steuern der Reichen sollten sinken, und sie sind gesunken; die Gewinne der großen Unternehmen aber sollten steigen, und sie sind gestiegen. Leiharbeit, befristete und geringfügige Beschäftigungen haben dramatisch zugenommen. Ich kandidiere für DIE LINKE um mitzuhelfen, diese Richtung umzukehren.
Ich halte einen gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von zehn Euro für unverzichtbar. Höhere tarifliche Mindestlöhne in einzelnen Branchen müssen hierbei für allgemeinverbindlich erklärt werden. Ich halte den gesetzlichen Mindestlohn auch für ein wirksames Instrument, um die unter Druck gesetzten Flächentarifverträge zu stabilisieren.
Darüber hinaus tritt DIE LINKE dafür ein, die Rechte von Gewerkschaften und Betriebsräten zu stärken. Den § 116 SGB III wollen wir abschaffen. Ebenso möchte ich mich dafür stark machen, dass das Streikrecht ausgeweitet wird und ein Verbandsklagerecht für Gewerkschaften zum Schutz geltender Tarife eingeführt wird.
DIE LINKE wird bei den Bundestagswahlen die Zehn-Prozent-Hürde überspringen.
Antworten von Krista Sager (Bündnis 90/Die Grünen)
Wir Grüne treten für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn von mindestens 7,50 Euro pro Stunde ein. Höhere Mindestlöhne in einzelnen Branchen und Regionen bleiben hiervon unberührt. Der gesetzliche Mindestlohn muss jährlich überprüft und gegebenenfalls bei steigenden Lebenshaltungskosten angepasst werden. Dafür schlagen wir eine Mindestlohn-Kommission nach britischem Vorbild vor, die sich aus Vertretern der Sozialpartner und der Wissenschaft zusammensetzt.
Wir Grüne setzen in der Krise konsequent auf die soziale und ökologische Erneuerung unserer Marktwirtschaft. Denn der Klimawandel macht in der Krise keine Pause. Mit dem Green New Deal haben wir ein Konzept vorgelegt, mit dem wir die Wirtschaftskrise, den Klimawandel und die Gerechtigkeitsdefizite gemeinsam angehen: Mindestens eine Million neue Jobs können in Deutschland entstehen, wenn wir konsequent in die ökologische Modernisierung, die Bildung und in soziale Gerechtigkeit investieren.
Union und FDP haben uns mit ihrer jahrzehntelangen Deregulierungspolitik in das aktuelle Desaster hineingeführt. Die Wirtschaft braucht aber klare Regeln: Auf nationaler und internationaler Ebene ist eine stärkere Kontrolle der Finanzmärkte nötig. Das betrifft sowohl die Produkte als auch Regeln für Rankingagenturen und Managergehälter. Wir Grüne fordern eine Finanzumsatzsteuer als solidarischen Beitrag des Finanzsystems zur jetzigen Krisenbewältigung. Wir brauchen auch einen stärkeren Verbraucherschutz auf den Finanzmärkten.
Wir wollen auch und gerade in Branchen mit geringer Tarifbindung verstärkt Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären. Unsere Vorschläge zum Mindestlohn sehen ausdrücklich vor, die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen zu erleichtern. Auch regionale Tarifverträge sollen in Zukunft für allgemeinverbindlich erklärt werden können. So können die Tariftreueregelungen bei öffentlicher Vergabe in den Bundesländern weiterhin effektiv angewandt werden.
Bei der Bundestagswahl wollen wir drittstärkste Partei werden.
Burkhardt Müller-Sönksen, FDP
Die FDP lehnt die Einführung von Mindestlöhnen durch den Staat entschieden ab; ebenso die Ausdehnung des Arbeitnehmerentsendegesetzes auf weitere Branchen.
Gesetzliche Mindestlöhne verschärfen den Abbau von Arbeitsplätzen in lohnintensiven Sektoren sowie im Niedriglohnbereich. Sie führen tendenziell zu höheren Preisen und schwächen darüber die Kaufkraft. Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert oder wandern in die Schwarzarbeit. Opfer von gesetzlichen Mindestlöhnen sind in erster Linie Langzeitarbeitslose, die wenig Aussicht auf Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt haben.
Deutschland braucht einen funktionsfähigen Niedriglohnsektor. Hierzu soll das von der FDP entwickelte Bürgergeldkonzept beitragen. Wenn das eige-ne Einkommen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt zu gewährleisten, sorgt das Bürgergeld ergänzend für ein Mindesteinkommen. So wird allen die Chance gegeben, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und zugleich immer das notwendige Mindesteinkommen zu erreichen.
Die FDP setzt auf eine Entlastung der Bürger durch eine Steuerstrukturreform. Die öffentlichen Haushalte sollen über die Ausgabenseite saniert werden. Die massive Staatsbeteiligung, vor allem im Finanzsektor, ist nur durch die krisenhafte Ausnahmesituation der Weltwirtschaft begründet. Sobald sich die wirtschaftlichen Bedingungen wieder verbessert haben, muss mit dem Ausstieg des Staates bei Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstituten begonnen werden. Nur mit einem durchdachten Ausstiegsszenario kann der Rückzug des Staates geordnet und zügig vollzogen werden. Daher sollte die Regierung einen Re-privatisierungsrat einsetzen, der eine Zeitablaufplanung entwirft, die Flexibilitätspuffer enthalten sollte und somit die Lage an den Kapitalmärkten berücksichtigen kann.
Für die FDP hat die Tarifautonomie absoluten Vorrang vor staatlicher Lohnfestsetzung. Dringend notwendig ist daneben ein flexibleres Tarifrecht, damit sich die Löhne wieder an der Produktivität orientieren können. Wir brauchen Öffnungsklauseln für betriebliche Bündnisse, damit maßgeschneiderte Lösungen vor Ort zum Abbau der Arbeitslosigkeit beitragen können.
Die FDP rechnet bei der Bundestagswahl mit 14 Prozent.
Wolfgang Rose
Unsere Fragen an die Parteien:
- Wie stehen Sie zum gesetzlichen Mindestlohn?
- Welches sind Ihre wichtigsten politischen Vorschläge zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise?
- Wollen Sie den Flächentarif und die Tarifbindung stärken? Wenn ja, wie?
- Welche Prozentzahl werden Sie erreichen?