Ausgabe 11/2009
Es gibt Alternativen
von Bernd Riexinger
Vielfältige Proteste haben bereits die bisherigen Haushaltsberatungen der Stadt Stuttgart begleitet. Am 9. November protestierten Beschäftigte des Jugendamtes gegen geplante Kürzungen im Jugendhilfebereich. Einen Tag später wurden die Beschäftigten des Stuttgarter Klinikums vorstellig. Sie werfen Oberbürgermeister Wolfgang Schuster und Finanzbürgermeister Michael Föll, beide CDU, Wortbruch vor. Sie wollen sich nicht mehr an die getroffene Vereinbarung erinnern und verweigern den notwendigen Zuschuss für die Mehrkosten im Kinderkrankenhaus Olgäle. Am 13. November protestierten die Beschäftigten der Arbeiterämter (Tiefbauamt, Garten- und Friedhofsamt, Abfallwirtschaftsamt Stuttgart) gegen Personalabbau und Arbeitsverdichtung. Eine gemeinsame Kundgebung vieler Beschäftigter und von den Sparmaßnahmen betroffener Bürgerinnen und Bürger gab es gar am 19. November. Alle wollen sich nicht gefallen lassen, dass im Bereich der Kindererziehung, Bildung, im Kulturellen, beim Kinderschutz und sogar in der Volkshochschule gespart werden soll. Wie andere Städte ist auch Stuttgart von den zurückgehenden Gewerbesteuereinnahmen betroffen. Obwohl immer noch mehr Steuern als geplant eingenommen werden, soll im Doppelhaushalt 2010/2011 kräftig gekürzt werden. Wieder einmal steht auch Personalabbau auf dem Einsparprogramm - über 100 Stellen auf direktem Wege und nach Berechnungen von ver.di und den Personalräten fast 300 Stellen als Folge der übrigen Sparmaßnahmen. Seit den 90er Jahren fielen bereits über 1500 Stellen weg. Zudem wurde die Stellenbesetzungssperre um ein Jahr verlängert. Bereits jetzt leiden die meisten Beschäftigten unter erheblichem Arbeits- und Leistungsdruck. Darüber hinaus können für die Bürger/innen dringend notwendige Dienstleistungen und Arbeiten in einigen Ämtern jetzt schon nicht mehr erbracht werden. Oberbürgermeister Wolfgang Schuster wählte in der Vergangenheit den bildhaften Vergleich, ein Huhn könne man nicht zweimal rupfen. ver.di sagt: Die Zitrone ist ausgepresst. Eine weitere Zunahme der Arbeitsbelastung ist unzumutbar und die Beschäftigten werden sich dagegen wehren. Positiv ist, dass sich in Stuttgart die verschiedenen Gruppen und Einrichtungen, die von der unsozialen Haushaltssanierung betroffen sind, immer mehr gemeinsam wehren.
ver.di hat Vorschläge
Es gibt Alternativen: ver.di hat vorgeschlagen, die Grund- und die Gewerbesteuer auf das durchschnittliche Niveau der anderen Großstädte in Deutschland anzuheben und die Rücklagen für Stuttgart 21 zu halbieren. Allein dadurch würde das Haushaltsvolumen um über 70 Millionen Euro wachsen, und es könnten somit die dringend notwendigen Investitionen etwa für die Schulsanierung ermöglicht werden. Außerdem können einige Groß- und Prestigeprojekte ohne dramatische Folgen ganz gestrichen werden oder zumindest zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Sparen auf dem Rücken des Personals und vieler Bürgerinnen und Bürger ist keine zukunftsorientierte Politik. Wir mischen uns ein für eine soziale und ökologische Politik in Stuttgart.
Das Ausbluten verhindern
Öffentlich ist wesentlich - mehr Geld für Kommunen und die öffentliche Daseinsvorsorge
Viele Kommunen in der Region Stuttgart sind durch die Wirtschaftskrise hart getroffen. Oft reagieren sie darauf reflexartig mit Haushalts- und Personalbesetzungssperren. Dramatisch ist es dann, wenn in die Krise hinein auch noch an der öffentlichen Hand gespart wird. Viele Arbeitsplätze im industriellen Bereich gehen Woche für Woche verloren. Wenn überdies an den Haushalten herumgestrichen wird, erhöht das die Arbeitslosenquoten zusätzlich.
Durch die neoliberale Politik der letzten 25 Jahre wurden die Kommunen Jahr für Jahr ärmer gemacht. Gleichzeitig wächst das enorme Defizit an qualifizierter Bildung und Erziehung, an Kindertageseinrichtungen, sozialen und kulturellen Einrichtungen und öffentlicher Infrastruktur. Um diese Aufgaben zu leisten, müssen die Kommunen deutlich mehr Geld bekommen. Reiche und Vermögende müssen endlich wieder mehr Steuern bezahlen, um die dringend notwendigen Aufgaben der Kommunen zu finanzieren.
Der ver.di-Bezirk Stuttgart wird in den nächsten Monaten zusammen mit anderen Großstädten eine Kampagne für die bessere Finanzausstattung der Kommunen starten. Das ist dringend notwendig, denn die schwarz-gelbe Bundesregierung nimmt mit ihrer Steuerpolitik das weitere finanzielle Ausbluten der Städte und Gemeinden in Kauf. Dagegen müssen wir uns wehren. Denn: Gemeinwohl geht vor Eigennutz.
Bernd Riexinger