von Bernd Riexinger

Seit Jahren erleben wir, dass die Übergriffe gegen Beschäftigte im Dienstleistungsgewerbe zunehmen. Respektlosigkeit im Umgang, Willkür und Druck auf viele Beschäftigte häufen sich. Gleichzeitig werden die Löhne nach unten gedrückt und die Arbeitsbedingungen massiv verschlechtert. Auf einer Veranstaltung mit dem Schriftsteller Günter Wallraff, der in seinen Under-Cover-Recherchen derartige Missstände aufdeckt, packten Beschäftigte aus. Hier einige Beispiele:

Firma Klüh

Jasmin Herbert von der Firma Klüh wurde einfach gekündigt, weil sie sich erlaubt hatte, sich zu wehren. Statt der vereinbarten sechs Stunden musste sie täglich mindestens zehn Stunden arbeiten. Ihr blieb kaum Zeit, auf die Toilette zu gehen. Für die Beschäftigten bei der Firma Klüh, die im Auftrag von Daimler in den Autowerken reinigen, sind Einschüchterungen durch Vorgesetzte und unbezahlte Überstunden keine Seltenheit. Vertragsverlängerungen müssen durch "Bestechungsgelder" an Vorgesetzte gekauft werden. Sexistische Übergriffe auf Frauen können belegt werden. Als bei der Firma Klüh bekannt wurde, dass sich Mitarbeiter/innen an Betriebsräte von Daimler gewandt hatten, schloss der zuständige Vorarbeiter sie durch Verriegelung der Türen im Auto ein, drohte den Kolleginnen und Kollegen mit Schlägen, schüchterte sie ein. Frauen wurden aufgefordert, bei der Arbeit Miniröcke und Oberteile mit tiefem Ausschnitt zu tragen, dann würde es weniger Reklamationen geben. Mitarbeiter/innen wurden als "Halbschwuchteln, Arschficker, Schlampen, Nutten" beschimpft, farbige Kolleginnen und Kollegen als "schwarze Teufel" und "schwarze Baumaffen".

Verursacher solcher Zustände ist nicht nur die Firma Klüh, sondern auch die Firma Daimler, die mit Hilfe dieser Firmen ihre eigenen Kosten nach unten drückt.

Wittwer Bahnhofsbuchhandlung

Seit der Familienbetrieb Wittwer in einer Nacht- und Nebelaktion an die Schweizer Firma Valora Retail verkauft wurde, finden die Beschäftigten keine Ruhe mehr. Die bisher geltende Tarifbindung wurde aufgehoben. Ständig werden Beschäftigte und Betriebsräte unter Druck gesetzt, Arbeitsbedingungen werden verschlechtert und der Ton wird rüder. Weil Geld in der Kasse fehlte wurde eine Kollegin mit Kündigung bedroht, wenn sie nicht aus eigener Tasche Ersatz leisten würde.

Plus/Netto

Die ursprünglich dem Tengelmann- Konzern gehörende Discounterkette Plus wurde weitgehend von Edeka aufgekauft. Die Beschäftigten gehören nunmehr zu deren Discounter Netto, die Läden werden nach und nach in Netto-Filialen umgewandelt. Offensichtlich will Deutschlands größter Lebensmittler Edeka den harten Konkurrenzkampf bei den Discountern auf dem Rücken seiner Beschäftigten austragen. ver.di wirft Netto vor, regelmäßig gegen Tarifverträge und Arbeitszeitgesetze zu verstoßen. Christina Frank, zuständige Bezirkssekretärin: "Die Beschäftigten müssen unentgeltlich nach Ladenschluss bis in die Nacht weiterarbeiten. Manche Filialleiter können buchstäblich ihr Bett in der Filiale aufstellen. Viele Beschäftigte leiden unter psychischem und physischem Stress."

Eine Verkäuferin in der Filiale Stuttgart-Stammheim wurde durch einen Stromschlag an der Kasse schwer verletzt. Ursache war ein Stromkabel, das nicht gesichert war. Der Ehemann der Beschäftigten erlitt einen Schock, er bangte um das Leben seiner Frau, die schwerverletzt ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. ver.di sieht darin einen schweren Fall von Körperverletzung durch mangelnde Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen. Fassungs-losigkeit entstand, als der zuständige Bezirksleiter sich weitaus mehr um die sofortige Inbetriebnahme der Kasse sorgte als um das Wohl der verletzten Kassiererin. Christina Frank: "Der Vorfall ist nur der Gipfel des Eisbergs."

ver.di Stuttgart macht mobil gegen solche Methoden. Christina Frank sagt: "Diese Beschäftigten brauchen in besonderem Maße eine Gewerkschaft, die ihre Interessen vertritt. Wir wollen ihnen eine Stimme geben und dafür sorgen, dass die Konzerne ihre üblen Methoden und Übergriffe gegen die Beschäftigten nicht im Dunkeln fortsetzen können."

Der ver.di-Bezirk Stuttgart befürchtet, dass es zunehmend zur Regel wird, die Not der Beschäftigten auszunutzen. Prekäre Beschäftigung, Niedriglöhne und Willkür im Umgang mit den Beschäftigten sind beinahe die Regel. ver.di sorgt dafür, dass die Belange der Beschäftigten zur Sprache kommen, sie sich vernetzen und organisieren.


Gegen die Pläne der Stadt Stuttgart, Kunst und Kultur durch massive Kürzungen quasi zu verdrängen, folgten am 19. November Mitarbeiter von mehr als 150 Kultureinrichtungen und über 2000 Bürgerinnen und Bürger den Aufrufen der ARTparade und zogen durch die Stadt zum Rathaus. Auf der ver.di-Kundgebung vor dem Schillerdenkmal verwies der baden-württembergische Ehrenvorsitzende des Verbands der Schriftsteller, Jürgen Lodemann, angesichts der Streichungen allein im Literaturbereich um 40 Prozent und angesichts der Bildungsmisere auf den "unterirdischen und grottenschlechten" Plan, vier Milliarden Euro in dem Bau eines neuen Bahnhofs "zu verbuddeln". Es sei Zeit, "Stuttgarts Oberhäuptern das Sorgerecht zu entziehen". Die ARTparade übergab im Rathaus eine Petition, die zur Unterzeichnung im Internet steht. www.artparade-stuttgart.de bal