Professor Dr. Heiner Flassbeck

Auch beim Neujahrsempfang stand die ver.di-Kampagne für eine gerechtere und lebenswerte Stadt im Mittelpunkt. Vor über 350 ver.di-Aktiven sowie zahlreichen prominenten Gästen aus Politik und Bürgerschaft beklagte Hamburgs ver.di-Landesleiter, Wolfgang Rose, die Untätigkeit des schwarz-grünen Senats angesichts der wachsenden sozialen Kluft in der Stadt.

"Zwölf Monate hatte das Oberhaupt dieser Stadt, hatte seine schwarz-grüne Koalition die Chance, ein Signal zu setzen gegen die Gier der Manager, für faire Löhne, für den Schutz des Gemeinwohls vor privaten Profitinteressen, gegen die tiefe soziale Spaltung in dieser Stadt, gegen die Zerstörung von Zukunft. Habt Ihr, haben Sie dieses Signal gesehen? Ich nicht. Bisher standen der wachsende Niedriglohnsektor, die Ausbeuterei von Arbeitnehmern, die Prüfung des Mindestlohns noch nie auf einer Tagesordnung dieses Senats. (...) Stattdessen plant er das größte Sparprogramm, das Hamburg je erlebt hat. (...) Kinder, Eltern, Arbeitnehmer, Erwerbslose und Arme sollen die Zeche für die Krise zahlen, während die Banken und Börsenzocker bereits die nächste Spekulationsblase aufpusten. Dazu sagen wir: Nein. Die Verursacher dieser Finanzkrise sollen auch für ihre Folgen haften."

Lebenswerte Stadt mit Kultur

Die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, so Rose weiter, sei die Schicksalsfrage in der Stadt. Ihre Lösung könne nur darin bestehen, die Menschen mit den starken Schultern stärker zu belasten als die sozial Schwachen: "Allzuviel und allzuoft wird nur auf die Ausgaben des Staates geguckt, ich rate dazu: Guckt auf die Einnahmen! Sie sind der Schlüssel zu einer soliden Politik für die Menschen. Deshalb stehen im Zentrum meiner Finanzvorschläge diejenigen, die über die höchsten Einkommen in Deutschland verfügen. Es ist Zeit für eine echte und gerechte Vermögenssteuer. (...) Denn in unserer Verfassung steht ein Satz, der an Klarheit nicht zu überbieten ist: Eigentum verpflichtet. Dieser Satz gilt erst recht in Notlagen und Krisenjahren." Auch wenn vermeintliche Experten stets das Gegenteil propagierten, gebe es für Gewerkschafter ein paar Klarheiten, sagte Rose.

  • "Reichtum und Armut in Deutschland haben eine ganze Menge miteinander zu tun, das eine geht nicht ohne das andere;
  • Lohnverzicht schafft keine Arbeitsplätze, die Menschen brauchen mehr Geld zum Leben - und die Konjunktur auch;
  • gleiche Bildungschancen und gute Bildung von der Kita bis zur Uni und Weiterbildung sind der Hebel für sozialen Aufstieg und gegen soziale Spaltung;
  • gute Arbeit statt prekärer Beschäftigung, das stärkt die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Produktivität der Betriebe."

Scholz, Rose (M.), Goetsch

Professor Dr. Heiner Flassbeck, Staatssekretär unter Finanzminister Oskar Lafontaine und heute Chefökonom der UNCTAD, stellte diese Überlegungen anschließend in einen länderübergreifenden Zusammenhang und erläuterte, was in der globalen Krise aus volkswirtschaftlicher Sicht dringend geboten sei: "Nur wenn die Konsumenten in Deutschland erwarten können, dass ihre Einkommen trotz Krise in normalem Umfang steigen, also entsprechend dem mittelfristigen Trend des Produktivitätszuwachses von etwa 1,5 Prozent plus der Zielinflationsrate der Europäischen Zentralbank von zwei Prozent, kann Deutschland die Krise wirklich überwinden." Lohnzurückhaltung, eine Tarifpolitik des "Gürtel-Enger-Schnallens" löse das Problem nicht, sondern verschärfe es! Der dümmste Satz zur angeblichen Krisenbewältung müsse endlich vom Kopf auf die Füße gestellt werden: "Was sozial ist, schafft Arbeit! statt: Sozial ist, was Arbeit schafft!" Mehr dazu: www.hamburg.verdi.de www.flassbeck.de