Über die achte Brücke

Karat: Weitergeh’n | Man kann ja allerhand meckern über die DDR. Es gab keine Bananen, der Geheimdienst war schlecht angezogen und die Autos waren aus Pappe. In einem Marktsegment aber erreichte der Arbeiter- und Bauernstaat das angestrebte Weltniveau: Kein Land der Welt brachte so viele so langlebige Rockbands hervor. Die Puhdys sind nun schon 41 Jahre alt, City auch schon 38 Jahre zusammen und Karat feiern in diesem Jahr ihr immerhin 35. Bühnenjubiläum. Pünktlich zum Jahrestag versucht die Rockband mit einer Veröffentlichungsoffensive alten Ruhm wiederzubeleben. Mit dem neuen Album wird geschickt das alte Erfolgsrezept noch einmal aufgekocht: Romantische Balladen wechseln sich ab mit dezent rumpelnden Rocksongs, die Textpoesie bleibt demonstrativ kryptisch. Zudem erscheint auch ein sehr dickes, sehr bunt bebildertes und von der Journalistin Christine Dähn geschriebenes Buch, in dem die lange Geschichte der einzigen DDR-Rockband, die es auch in der Bundesrepublik zu Berühmtheit gebracht hatte, aufgearbeitet wird.

Da kann man noch einmal, erzählt aus Sicht der Bandmitglieder, nachlesen, wie sich die Band durch blumige Texte geschickt von jeder real-sozialistischen Kontroverse fern hielt. Wie Über sieben Brücken musst Du geh’n zu einem Hit in Ost und – dank Peter Maffay – auch in West wurde. Wie nach dem Mauerfall keiner mehr die schwermütigen Songs hören wollte, und wie nur wenige Jahre nach der Wende die aufkeimende Ostalgie die Band rettete, die seitdem fleißig die Bühnen im Osten bespielt. Dass von der Originalbesetzung nur mehr Ulrich „Ed“ Swillms, der Komponist der meisten Hits, dabei ist und der aus gesundheitlichen Gründen nur mehr selten auf der Bühne steht, stört dabei kaum einen Anhänger. Selbst Sänger Herbert Dreilich, fast drei Jahrzehnte lang Stimme der Band, konnte nach seinem Krebstod 2004 angemessen ersetzt werden: Sohn Claudius interpretiert nun die Erfolgstitel von Karat.Ausgespart wird allerdings ausgerechnet eines der spannendsten Kapitel der Bandgeschichte: Dass die Band anderthalb Jahre ihren eigenen Namen nicht führen durfte, weil Dreilich vor seinem Tod „Karat“ als Markenname hatte eintragen lassen und seine Witwe einen Rechtsstreit vom Zaun brach. Die anschließende gerichtliche Auseinandersetzung geriet zwar bisweilen zu einer Groteske, wurde aber 2007 im Sinne der Band entschieden. Weiteren 35 Jahren steht also nichts mehr im Wege. Thomas Winkler

DEUTSCHROCK, CD, A&F/EDEL; CHRISTINE DÄHN: KARAT: ÜBER SIEBEN BRÜCKEN MUSST DU GEHEN, VERLAG NEUES LEBEN, 384 Seiten, 19,95 €


Brad Mehldau: Highway Rider Mit einem Dutzend CDs hat sich Brad Mehldau seit Mitte der 1990er Jahre in die erste Liga der Piano-Trios emporgespielt. Nicht, dass er nicht auch die Standards aus dem American Songbook zu interpretieren wüsste, aber bei Mehldau gesellt sich zur hohen Kunst der Jazzimprovisation auch sein Interesse für die klassische Musik Europas. Über eine Distanz von 15 Stücken auf zwei CDs huldigt Mehldau einem Sound, der Jazzcombo und ein aus Streichern, Holzbläsern und Waldhörnern bestehendes Orchester zusammenführt. Live im Studio eingespielt, sind die sinfonischen Musiker nicht bloße Zierde, sondern erschaffen einen originären Klang. Neben Mehldau selbst als Hauptsolist begeistert der afroamerikanische Saxophonist Joshua Redman mit seiner von Chorus zu Chorus gesteigerten Emotionalität. Mehldaus Highway Rider ist Tonkunst mit eigener Signatur, in der sich Komponiertes und Improvisiertes, Kammermusik und Jazz nicht nur begegnen, sondern einen fruchtbaren Weg für ein wirkliches Miteinander aufzeigen. rix

JAZZ, DOPPEL-CD, NONESUCH/WARNER


Kate Nash: My Best Friend Is You Auch Wunderkinder werden groß. Kate Nash ist zwar immer noch erst 22 Jahre alt, steht aber mit ihrem zweiten Album vor einer Aufgabe, an der sie nur scheitern kann: Millionen von Teenagermädchen erwarten eine Fortsetzung ihres Blockbusters Made Of Bricks, während sie erwachsen werden muss. Nash löst das mit einem Kompromiss. Sie singt weiterhin in ihrem charmanten südostenglischen Akzent und mit viel Ironie über das, was junge Mädchen umtreibt: Den Typen, der einem schöne Augen macht, und die Konkurrentin, die einem den Freund ausspannen will. Doch dass sie sich inhaltlich treu bleibt, kontrastiert sie mit einer enormen Erweiterung ihres musikalischen Spektrums: Unter der Regie von Produzent Bernard Butler, der zuletzt Duffy in die Charts mischte, verlässt Nash die abgesicherte Folk-Nische und wagt sich nun sogar an kreischende Rock-Gitarren oder hysterischen Sixties-Pop heran. Wird wohl Zeit, dass die minderjährigen Fans mit ihrem Idol zusammen die Zahnspange ablegen. to

POP, CD, POLYDOR/UNIVERSAL