Ausgabe 04/2010
Im Tal des Niedriglohns
Großes, auch überregionales Medienecho fand Ende Februar eine Informationsveranstaltung von ver.di Nordhessen. Es ging um die "unhaltbaren Zustände in der Speditions- und Logistikbranche", wie Fachsekretär Manuel Sauer erläuterte. Das betrifft vor allem die LKW-Fahrer. Rund 50 von ihnen waren gekommen. Das ist ein Erfolg. Denn einige Arbeitgeber waren im Vorfeld so weit gegangen, die Plakatständer für die Veranstaltung zu mopsen. Doch in der Region gibt es insgesamt rund 10 000 LKW-Fahrer, die fast alle die gleichen Probleme haben. Die Vereinzelung jedoch erschwert jede Interessenvertretung und lässt Zusammenhalt unter den "lonesome riders" nur schwer zu. Ohnehin geht es in der Branche zu wie im wilden Westen. Die Preiskonkurrenz ist erbarmungslos - auf Kosten der Fahrer. Enorme Missstände gibt es bei den Ruhe- und Lenkzeiten, bei unbezahlten Nebentätigkeiten wie Wartung des Fahrzeugs, Be- und Entladen und bei der Entlohnung. Immer auf der Straße, ein Familienleben ist fast unmöglich - und das für monatliche Bruttolöhne zwischen 1 100 und 1 500 Euro. Wer da nicht auf Spesen bauen kann, ist schlecht dran. An Krankheit oder Urlaub sollte man besser gar nicht denken.
Ran an die Marktführer
Besonders bemerkenswert ist, so Manuel Sauer, dass die schwarzen Schafe der Branche oft an die örtlichen Marktführer gekoppelt sind. So fahren diese Speditionen, zum Teil Subunternehmer, für die Volkswagen AG und andere Großunternehmen. Durch die verkehrsgünstige Lage nimmt Nordhessen einen Spitzenplatz unter den deutschen Logistikstandorten ein. Die großen Lager von VW oder Lidl wünschen eine punktgenaue Disposition von Gütern. Das fordert den Fahrern zwar alles ab, gedankt wird es ihnen aber nicht im geringsten. Tarife und sogar das Arbeitszeitgesetz werden ignoriert. Auf diese Missstände hat ver.di aufmerksam gemacht. Manuel Sauer will aber weiter. Er hat Kontakt aufgenommen zu den Betriebsräten von VW. Die beiden Gewerkschaften IG Metall und ver.di sollen sich absprechen gegen "das große Loch des Niedriglohns" gerade in diesem Sektor. reb