Fritz Kalenke hat sein Leben lang als Werkzeugmacher gearbeitet. 1996 ging er mit 63 in Rente. Sechs Jahre später feierte Fritz mit seiner Frau Paula Goldene Hochzeit. Während des Festes fragte er seine Frau immer wieder: "Was feiern wir heute?" Heute ist Fritz bettlägerig. Seit acht Jahren hat er Alzheimer. Seither pflegt Paula ihren Mann. Als sie irgendwann nicht mehr konnte, bedrängte der Hausarzt sie, ihren Mann in einem Pflegeheim unterzubringen. Die Kosten hätten Fritz' Altersrente aufgefressen. Als Paula den Arzt fragte, wovon sie selbst denn leben sollte, meinte der lapidar, sie könne doch Grundsicherung im Alter beantragen. Paula war entsetzt. Noch heute pflegt sie ihren Mann zu Hause. Hätte Paula damals die Grundsicherung im Alter beantragt, wäre sie heute (die neusten Zahlen stammen von Ende 2008) eine von insgesamt 767 682 Menschen in Deutschland, die diese Sozialleistung erhalten. Zwei Drittel all der älteren Menschen, die Grundsicherung bekommen, verfügen über eine eigene, aber viel zu niedrige Altersrente. Darüber hinaus, so schätzen Experten, gibt es eine hohe Dunkelziffer von Menschen, die gar keine Grundsicherung beantragen. Denn wer von Grundsicherung im Alter lebt, gilt in Deutschland offiziell als arm.

Die sinkenden Löhne und Gehälter sind das Problem

"Altersarmut ist in Deutschland kein aktuelles Problem", kommentieren Arbeitgeber und Bundesregierung solche Zahlen. Dabei lebt schon heute mehr als jeder zehnte ältere Mensch von einem Einkommen unterhalb der Armutsschwelle. Und das Risiko, im Alter nicht genügend Geld zu haben, steigt. Denn Löhne und Gehälter sinken seit Jahren. 6,5 Millionen Menschen arbeiteten 2006 im Niedriglohnsektor - sie waren Teilzeitkräfte, Leiharbeiter oder Mini-Jobber. Von 1995 bis heute ist der Niedriglohnanteil in Deutschland um 43 Prozent gestiegen. Und er wird weiter ausgebaut. Paula ist typisch für die heutige Generation älterer Frauen. Sie haben selten eine eigene Rente aufgebaut, sondern ihr Leben als Hausfrau, Mutter und Altenpflegerin der eigenen Eltern verbracht. Heute sind jüngere Frauen eher berufstätig. Allerdings arbeiteten in Deutschland 2006 nur rund 66 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter. Und Frauen mit Kindern arbeiten nur selten auf einer vollen Stelle. Vor allem Alleinerziehende leben daher schon heute oftmals in Armut, ihr Risiko, im Alter zu verarmen, ist besonders hoch. Zurzeit arbeitet allein ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland in Teilzeit. Vor gut zehn Jahren waren es gerade 20 Prozent. Fast 85 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten sind Frauen. Und ihr Anteil unter allen erwerbstätigen Frauen beträgt dabei mehr als 40 Prozent. Die Hälfte von ihnen bringt nicht mehr als 800 Euro brutto im Monat nach Hause. Eine ausreichende Rente lässt sich mit solch einem Lohn nicht ansparen. Die Gefahr für Frauen, im Alter zu verarmen, ist daher besonders hoch. Frauen verdienen noch immer im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer. Kurze Arbeitszeiten, Kindererziehungszeiten und die Pflege von Angehörigen führen unweigerlich zu geringen Rentenbeiträgen. Die Konsequenz: Westdeutsche Frauen beziehen nur 60 Prozent der durchschnittlichen Rente eines Mannes. Die Altersarmut von Frauen, so befürchten Expertinnen und Experten, wächst sich zu einem der großen Zukunftsprobleme in Deutschland aus. Die Studie Leben in Europa (EU-SLIC) kommt zu dem Ergebnis, dass 14 Prozent aller 56-Jährigen und Älteren 2005 von Armut bedroht waren. Wobei das Risiko zu verarmen für Frauen bei 17 Prozent lag. 2008 hat sich das Armutsrisiko für Ältere vergrößert. Inzwischen ist fast jede fünfte Frau über 65 von Armut betroffen. Politische Konsequenzen hat diese Erkenntnis bisher nicht. Karin Flothmann