Ausgabe 05/2010
Die Zukunft fängt immer heute an
VON Eckhard Lieb
Spätestens seit PISA lassen sich die Defizite unseres Schulsystems nicht mehr leugnen. Betrachtet man die Schulabbrecherquoten, die Zahl der unbesetzten Lehrstellen und den drohenden Fachkräftemangel, fragt man sich ernsthaft, was aus den Dichtern und Denkern geworden ist. Natürlich sind nicht alle Schulen schlecht. Dramatisch ist aber, dass der Schul- und Ausbildungserfolg eines Kindes in einem direkten Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Stellung und den finanziellen Möglichkeiten der Eltern steht. Und das mehr als in allen anderen Ländern Europas. Die Chance, auf das Gymnasium zu gehen, ist für ein Akademikerkind bei gleicher Leistung viermal höher als für das Kind eines Arbeiters. Diese Schieflage können wir uns nicht leisten. Von der Ausbildung der kommenden Generationen hängt nicht weniger als die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands ab - zumal es in Zukunft immer weniger junge Menschen geben wird. Die Wirtschaft kann die Defizite aus der Schule nicht ausgleichen, sie ist auf qualifizierte Absolventen angewiesen.
Eckhard Lieb
Die Politik muss endlich ein Schulsystem etablieren, das alle Kinder - ungeachtet ihrer Herkunft - optimal fördert und damit die Voraussetzung dafür schafft, dass wir auch weiterhin eine der führenden Wirtschaftsnationen sind. Hamburg leistet mit der Schulreform Pionierarbeit. Indem die Kinder länger gemeinsam lernen, in kleineren Klassen mit mehr Lehrern besser gefördert werden, und die Unterrichtsqualität erhöht wird, wird die Basis geschaffen für den Schulerfolg jedes einzelnen Kindes und damit für die Zukunft von uns allen.
Eckhard Lieb ist Betriebsratsvorsitzender Lufthansa Technik Hamburg
Jetzt umdenken – im Interesse der Kinder
Liebe Eltern und Großeltern, liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden gute Gründe gehabt haben, das Volksbegehren der Schulreformgegner zu unterschreiben. Besonders Sie als Eltern waren vielleicht entrüstet, dass Ihnen das Recht genommen werden sollte, die Schullaufbahn Ihrer Kinder selbst zu bestimmen. Oder Sie waren von der Sorge getrieben, das Tempo der Reformen könnte die Schulen überfordern und die Unterrichtsqualität mindern. Oder Sie befürchteten, die Primarschule gehe zu Lasten der leistungsstärkeren Kinder. Sie wollen zu Recht die beste Bildung für Ihre Kinder oder Enkel. Und genau deshalb bitte ich Sie darum, jetzt beim Volksentscheid für die Schulreform zu stimmen. Ich bitte darum, umzudenken - gerade im Interesse der Kinder. Denn in den Verhandlungen mit den Oppositionsparteien ist die Reform an entscheidenden Punkten verbessert worden: Der Elternwille gilt nach Klasse 6, ohne Wenn und Aber. Die Zeitabläufe und Rahmenbedingungen sind jetzt so, dass die Schulen die Umstellung gut bewältigen können. Es wird genug zusätzliche und gut ausgebildete Lehrkräfte geben, so dass das längere gemeinsame Lernen wirklich allen Kindern zugutekommen wird. Die Klassen werden kleiner, die Bücher kostenlos. Für mich sind zwei Dinge entscheidend, die Schulreform zu unterstützen: Erstens ist das längere gemeinsame Lernen unzweifelhaft gerechter. Wir wissen: Je früher die Aufteilung der Kinder auf die verschiedenen Schulformen geschieht, desto willkürlicher ist sie, desto mehr hängt sie vom sozialen Status der Familien ab anstatt von der Leistungsfähigkeit der Schüler. Das darf nicht sein. Und zweitens zeigen die Erfahrungen in ganz Europa, dass von gemeinsamem Lernen alle Kinder profitieren, wenn die Rahmenbedingungen stimmen - und nun stimmen sie. Deshalb bitte ich Sie: Geben Sie allen Kindern eine faire Chance - stimmen Sie für die Schulreform und die Primarschule.
Kollegiale Grüße Wolfgang Rose, ver.di-Landesbezirksleiter Hamburg