Mudjtaba_Husseini_Daniel_Biel.jpg
Mudjtaba Husseini (links) und Daniel Biel – zwei geschätzte KollegenFoto: Jörn breiholz

Die ver.di-Mitgliedschaft steht bei Gasnetz Hamburg hoch im Kurs – und auch in der Ausbildung macht der Hamburger Energieversorger vieles richtig. So werden junge Leute während ihrer Ausbildung auch bei Schwierigkeiten gut betreut. Womit sich der Arbeitgeber zudem gutes und engagiertes Personal für die Zukunft organisiert – von Anfang an.

Daniel Biel und Mudjtaba Husseini sitzen so entspannt in der Sonne, wie man entspannt ist, wenn man keine 30 Jahre alt ist und die Welt einem zulächelt. Daniel, Vollbart, robuste Statur, ist gebürtiger Hamburger – und war als bester Hamburger seines Jahrgangs ein Vorzeige-Azubi: "Ich hatte überall eine Eins. Heute lebe ich glücklich mit meiner Freundin in unserer gemeinsamen Wohnung, habe einen zweieinhalbjährigen Sohn und einen Hund, alles ist fein", sagt Daniel.

Mudjtaba, sein Kollege und Freund, ebenfalls 28 Jahre, schlank und Seitenscheitel, ohne Bart, gebürtig aus Kabul, lebt auch mit seiner Familie in Hamburg: "Jetzt sind wir alle hier in Hamburg wieder vereint." Auch ihn möchte das Hamburger Gasnetz auf keinen Fall wieder ziehen lassen. Denn: "Mudjtaba ist unser Schweißgenie", sagt Oliver Christiansen, der ehemalige ver.di-Betriebsrat und jetzige Fachbereichs- und Ausbildungsleiter bei Gasnetz Hamburg.

Schweißen bei Wind und Wetter

Aufs Schweißen kommt es hier an, beim Gasnetz Hamburg mit seinen fast 8.000 Kilometern Gasleitungen, aus denen das Gas in die Heizungen von rund 160.000 Hamburger Hausanschlüssen fließt. Schweißen bei Wind und Wetter, auf engstem Raum in rutschigen Baugruben, man muss das im Schlaf können und hundertprozentig draufhaben, wenn man fürs Hamburger Gasnetz schweißen will. Dafür braucht man eine ruhige Hand, ein sehr gutes Auge und handwerkliches Feingefühl – Mudjtaba hat das alles.

Vor wenigen Jahren noch sah die Zukunft für Daniel und Mudjtaba eher trostlos aus und wäre es vielleicht geblieben, hätten sie sich hier bei Gasnetz Hamburg am Tiefstack in Spuckweite von der Norderelbe in der Ausbildung nicht für eine Philosophie entschieden, die den Menschen und nicht das Zeugnis in den Vordergrund stellt. Nach Haupt- und Realschulabschluss hatte Daniel keinen Weg ins Berufsleben gefunden. Stattdessen saß er den ganzen Tag zuhause in der Wohnung. Das Jobcenter machte Druck, Daniel litt damals unter Depressionen, erzählt der heute beste Hamburger Azubi seines Jahrgangs über seinen schwierigen Start ins Berufsleben.

Maurer wollte er werden wie sein Vater, stattdessen musste er sehr lange warten, bis er endlich einen Termin beim Neurologen bekam, mit dem er sprechen konnte. Ein Freund brachte ihn auf die Idee, sich bei Joblinge zu bewerben, einem Programm, das ihn schließlich mit Gasnetz Hamburg in Kontakt brachte. Das war sein Start ins Berufsleben und damit zurück ins Leben. "Als ich mein erstes Praktikum hier bei Gasnetz Hamburg gemacht habe, da merkte ich, ich kann ja doch was. Ich habe sehr viel positives Feedback bekommen und mein Leben ging los."

Mudjtaba war 14 Jahre alt, als ihm seine Eltern seine zwei Jahre jüngere Schwester anvertrauten und beide auf den Weg schickten, den sein älterer Bruder schon gegangen war: Immer westwärts, viele tausend Kilometer bis nach Hamburg in Norddeutschland. "Man muss sehr vorsichtig auf der Flucht sein", sagt Mudjtaba. Es dauerte drei Jahre und brauchte zwei Anläufe, dann hatten sie es geschafft. Wie Daniel führte auch ihn sein Weg zuerst zu den Joblingen, einer Initiative aus Wirtschaft, Politik und viel Ehrenamt, die Berufsanfänger*innen an die Hand nimmt und in den Job begleitet. Mudjtaba hat dort vormittags Deutsch gelernt und nachmittags in einem Restaurant gearbeitet.

Besondere Philosophie

Dann bekam er wie Daniel die Möglichkeit, ein Praktikum beim Hamburger Gasnetz zu machen: "Den Termin weiß ich noch ganz genau, es war der 4. Januar 2016", sagt der Wahl-Hamburger. Nach ihrem Praktikum bekamen beide einen Ausbildungsplatz angeboten. "Wir gucken nicht auf die Noten und machen auch schon lange keine Einstellungstests mehr, sondern schauen uns die Menschen lieber persönlich an", sagt Ausbildungsleiter Oliver Christiansen.

Beide profitierten von der besonderen Philosophie, der sich Gasnetz Hamburg und die Menschen in der Ausbildung im Besonderen verschrieben haben. Hier duzt jeder jeden, die Unternehmenskultur heißt Wertschätzung und ernst nehmen, auch die Dinge, die mal nicht so gut laufen. Arbeiten unter Freunden heißt der Slogan der Ausbildung.

Bei Daniel war genau diese Offenheit der Schlüssel, um der Diagnose Depression das Leben entgegenzustellen. "Mir hat die Offenheit sehr geholfen, jeder hat mich unterstützt", sagt er. Es war die Sozialberaterin, die nicht nur ihm geholfen hat, seinen Weg zu gehen. "Psychische Krankheiten gehören zum Leben dazu, sie kommen häufig vor, also gehen wir damit aktiv um", sagt Ausbildungsleiter Oliver Christiansen.

Als Mudjtaba Probleme mit seinem Aufenthaltsstatus bekam und abgeschoben werden sollte, setzten sich der ver.di-Betriebsrat und andere erfolgreich für ihn ein – er konnte bleiben, heute hat er eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung. Und auch, als er die erste theoretische Prüfung in den Sand setzte, weil Sprache auch da ein Hindernis sein kann, wo eigentlich handwerkliche Qualifikationen mehr zählen, taten sich die Kollegen zusammen und Mudjtaba schaffte seine Gesellenprüfung.

Beide hatten es nicht einfach. Aber Daniel und Mudjtaba nutzten die offenen Arme, mit denen ihnen Gasnetz Hamburg den Einstieg ins Berufsleben einfacher machte. "Daniel und Mudjtaba sind Gold wert", sagt Ausbildungsleiter Oliver Christiansen, der derzeit fast 70 Auszubildende betreut, bei insgesamt 600 Beschäftigten. "Wir brauchen noch viel mehr junge Kolleg*innen wie die beiden. Der demographische Wandel schlägt in unserer älteren Stammbelegschaft voll zu, und es wird immer schwerer, junge Menschen von technisch-handwerklichen Berufen zu überzeugen", sagt der, der es wissen muss.