Ausgabe 05/2010
Harakiri einer Branche
Noch ist es bunt am Münchner Zeitungskiosk. Das kann sich schnell ändern
VON Bernd Mann
Die Medienbranche, vor nicht allzu langer Zeit noch Hoffnungsträger in München, entwickelt sich zum Sorgenkind. Allen voran die Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Geradezu mit Inbrunst beschwören sie ihren eigenen Untergang. Folge sind immer neue Kündigungswellen und Sparkonzepte. Jeweils verbunden mit der Verlautbarung, danach sei die Zeitung noch genauso gut wie zuvor. Zuletzt beschwor dies der Chefredakteur der Abendzeitung, Arno Makowsky. Bei der AZ müssen in den nächsten Wochen fast 50 Beschäftigte von Bord gehen. Durch Kündigung oder auslaufende Befristungen. Die Hälfte der Redaktion weg und dennoch gleiche Qualität? Diese Gleichung kann nicht aufgehen.
Wer's glaubt, wird selig
Auch beim Süddeutschen Verlag folgt einer Kündigungswelle die nächste. Von den jüngsten 24 Kündigungen sind besonders die regionalen Geschäftsstellen und Redaktionen betroffen. So sieht die angekündigte "Stärkung der regionalen Berichterstattung" aus: Redaktionen werden zusammengelegt. Verkauft werden diese Maßnahmen als verlegerische Kreativität, in Wahrheit handelt es sich um ein rigides Sparprogramm. Nicht nur bei der Süddeutschen Zeitung gibt es das. Neues Sparpotenzial wurde zum Beispiel bei den Zeitungsträgern entdeckt. Bei den völlig vom Süddeutschen Verlag abhängigen Zustellgesellschaften wird einzelnen der Auftrag entzogen. Die Zeitungszusteller erhalten dann das Angebot, sich bei einer anderen Zustellgesellschaft zu bewerben. Dort müssen sie - so die Aussage Betroffener - erst den alten Vertrag "freiwillig" kündigen, bevor sie den neuen und schlechteren ausgehändigt bekommen. Verlangt wird sofortige Unterschrift, keine Chance zur Prüfung. Alles legal? Auch bei sich nobel gebenden Zeitschriftenverlagen wird gehaust. So setzte Gruner & Jahr in München die komplette Börse Online-Redaktion vor die Tür. Ein halbwegs akzeptabler Sozialplan musste dem zu Bertelsmann gehörenden Verlagshaus in mühsamen Verhandlungen, verbunden mit Streikaktionen, abgetrotzt werden.
Burda zerschlägt Betriebsrat
Und gar nichts von seiner sonst so gerne öffentlich ausgestellten Kunst- und Feinsinnigkeit zeigt Großverleger Hubert Burda im eigenen Haus. Gekündigt werden dort bevorzugt Beschäftigte mit tarifgebundenen Altverträgen. Der bisher vorhandene gemeinsame Betriebsrat, der die Sozialauswahl regelmäßig erschüttern konnte, wurde zerschlagen. Ebenfalls "ganz legal": Hubert Burda entdeckte plötzlich die völlige Selbstständigkeit seiner 23(!) GmbHs in München. Gerichtlich abgesegnet, müssen sie jetzt jeweils eigene Betriebsratsgremien wählen. Wie die wirtschaftliche Lage der Unternehmen im Einzelfall wirklich aussieht, bleibt dank des so genannten Tendenzschutzes für Medienbetriebe Geheimsache. Was braucht es da noch überzeugende verlegerische Konzepte? Jammern und Feuern ist einfacher.